Hallo Marisol,
ich habe den Thread erst jetzt gesehen. Ich mache Übersetzungen, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Da ich kein diplomierter ÜB bin und dies auch nicht ewig machen will, vermeide ich als Beruf Übersetzer anzugeben
Wie kommt man nun dazu? Nun, das ist schwierig in nur wenigen Sätzen zu beantworten. Es kommt wohl primär auf Deinen Ausbildungshintergrund an. Es ist zuerst zu überlegen, in welchem Fachgebiet man übersetzen will. Danach sollte man seine Ausbildung (ich spreche hier natürlich von einer Universität oder ähnlichem) ausrichten. Reine Übersetzer haben später das Problem, dass sie zwar die Technik und die jeweiligen Sprachen detailliert beherrschen, jedoch fehlt ihnen das tiefere Fachwissen, obwohl man sich spezialisiert hat. Von den Japanisch-ÜB, die ich kenne, hat nur ein Bruchteil Japanologie oder gar Japanisch studiert. Die meisten kommen aus verschiedenen Fachbereichen, wie Jura, Medizin, Elektrotechnik etc. Sie haben sich die Sprache quasi „nebenher“ und mit Studienaufenthalten angeeignet. Soweit ich weiß, haben die wenigsten einen Nachweis über ihre Sprachkenntnisse. Um Aufträge zu bekommen, zählen meist nur Referenzen, von dem, was man bisher machte. Man kann sich vorstellen, dass der Einstieg da schwer fällt. Am besten ist es wohl, bei Übersetzungsprojekten z.B. an der Universität mitzumachen oder Praktika in Übersetzungs-Büros zu absolvieren. Die andere Möglichkeit ist die des Zufalls. Besonders bei Japanisch ist das nicht so unwahrscheinlich. Ich wurde hin und wieder von Bekannten gefragt, ob ich nicht Lust hätte für jemand etwas zu dolmetschen oder zu übersetzen. Reiseführungen oder auch Engagement in den diversen Nihonjinkais helfen da. Solche Kontakte, wie unwichtig sie auch erscheinen mögen, unbedingt pflegen!
Ist man Hauptfach Japanologe, hat man es auch nicht leicht. Man hat zwar ein Fachgebiet, aber eben eines reicht da nicht aus und das ist meistens dann wieder eine Geisteswissenschaft, womit man nichts anfangen kann. Wie gesagt, soviel wie möglich an Projekten mitarbeiten, auch wenn´s umsonst ist, um sich erst einmal zu etablieren.
Von Literatur-Übersetzungen kann ich Dir nur abraten, wenn Dir der finanzielle Aspekt wichtig ist. Belletristik-Übersetzer in Deutschland sind chronisch unterbezahlt. Es wird fast immer nur ein festes Honorar vereinbart ohne Gewinnbeteiligung am Umsatz. I.d.R. sind das ein paar Tausend Euro für einen dicken Roman, an dem man mehrere Monate arbeitet. Dazu kommen andere Kosten, wie Recherche, Kopierkosten, Anrufe, Faxe usw. Damit reduziert sich der „Stundenlohn“ schon mal auf BAT-Niveau. Für solche und ähnliche Geschichten sollte man schon einen gewissen Idealismus mitbringen. Reich wird man davon nicht und eine Familie kann man damit auch kaum ernähren, zumal man meist Freiberufler ist, d.h. selbstständig. Arbeitet man in einem ÜB-Betrieb, würde das schon eher funktionieren.
Gut bezahlt wird für technische, medizinische Übersetzungen, wobei aber hier eine Ausbildung in dem jeweiligen Fachgebiet von Nöten ist.
Interessant für Studenten ist der Manga/Anime-Bereich. Die Bezahlung ist hier überdurchschnittlich gut und die Arbeit ist nicht allzu schwer… naja, eigentlich muss man nicht viel denken dabei. Das Problem hier liegt in der Instabilität der Industrie. Fällt der Manga in der Gunst der Leser, rollen sofort Köpfe, wie kontinuierlich geschehen in den letzten Jahren. Man ist hier schneller arbeitslos, als man realisieren kann. Verträge? Fehlanzeige!
Als etablierter Übersetzer in Japan ist man fein raus. Dort ist diese Arbeit noch etwas wert, vorausgesetzt man kennt die entsprechenden Leute. Schon bei einem Studienaufenthalt sollte man solche Kontakte knüpfen. Konkrete Ratschläge kann ich hier jedoch nicht liefern.
Fazit: Am besten mal reinschnuppern, nachdenken, sich über Vorteile und Risiken klar werden, ob man das wirklich machen will. Das lege ich besonders denen ans Herzen, deren expliziter Wunsch es ist, Übersetzer zu werden. Ab und zu mal was für sich zu übersetzen und jeden Tag damit sein Brot verdienen zu müssen, sind zwei verschiedene Welten.
Ich finde es praktisch als Übergangslösung, mein Leben und das meiner Familie zu finanzieren, aber es beruflich zu machen, bis ich in die Kiste plumpse und der Deckel zufällt… nein danke! Dafür ist es mir zu einseitig, einsam und psychisch ermüdend.
Ich weiß, es liest sich wie die übelste Schwarzmalerei, aber das ist nun mal mein Eindruck.
So, das war es fürs erste von meiner Seite.
bikkuri