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Gedicht
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yamada


Beiträge: 957
Beitrag #1
Gedicht
Ich bin auf folgendes Gedicht im Internet gestoßen und möchte wissen,
ob man hier im Nebensatz nicht nur Konjuntiv Ⅱ sondern auch Indikativ benützen kann
(hältst anstelle von hieltest, fühlst anstelle von fühltest und so weiter),
was sich hinter "was ich für dich" verbirgt,
und
was man mit "dass dein Dank hübsch meinem Gruß halben Wegs entgegen käme" meint.

Wüsst ich,wüsst ich,dass du mich
Lieb und wert ein bisschen hieltest,
Und von dem,was ich für dich,
Nur ein Hundertteilchen fühltest;

Dass dein Dank hübsch meinem Gruß
Halben Wegs entgegen käme,
Und dein Mund den Wechselkuss
Gerne gäb und wiedernähme:

Ich danke Euch für die Hilfe im Voraus.
08.03.08 09:09
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icelinx


Beiträge: 716
Beitrag #2
RE: Gedicht
Ah, etwas von Gottfried August Bürger................. zwinker
Beethoven hat's (mit einem anderen Gedicht "Seufzer eines Ungeliebten") in einem Lied integriert (WoO. 118 Nr. 1).

Zitat:Gegenliebe

Wüßt ich, wüßt ich, daß du mich
Lieb und wert ein bißchen hieltest,
Und von dem, was ich für dich,
Nur ein Hundertteilchen fühltest;

Daß dein Dank hübsch meinem Gruß
Halben Wegs entgegen käme,
Und dein Mund den Wechselkuß
Gerne gäb und wiedernähme:

Dann, o Himmel, außer sich,
Würde ganz mein Herz zerlodern!
Leib und Leben könnt ich dich
Nicht vergebens lassen fodern! -

Gegengunst erhöhet Gunst,
Liebe nähret Gegenliebe,
Und entflammt zur Feuersbrunst,
Was ein Aschenfünkchen bliebe.

Klare Antwort:
Grammatikalisch ja.
Nur würde dieser Stil das Gedicht total entstellen.

Das "e" am Suffix des konjungierten Verb war (ist) ein beliebtes Stilmittel in der Poesie.
08.03.08 10:21
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oojika


Beiträge: 172
Beitrag #3
RE: Gedicht
Hallo yamada,

was sich hinter dem 'was ich für dich' verbirgt:
hier wurde aus stilistischen Mitteln wohl das 'fühle'
weggelassen, die Bedeutung ist also:

Und von dem,was ich für dich fühle,
Nur ein Hundertteilchen fühltest

Grüße

oojika

PS: 'benützen' ist nicht korrekt, es heißt 'benutzen'. Den
Fehler machen viele Deutsche aber auch :-)

Möööööhp...

oojika }:-)
13.03.08 11:09
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the_luggage


Beiträge: 106
Beitrag #4
RE: Gedicht
Meines Wissens ist "benützen" als süddeutsche Variante von "benutzen" sogar erlaubt...
26.03.08 23:15
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gakusei


Beiträge: 495
Beitrag #5
RE: Gedicht
Zitat: Klare Antwort:
Grammatikalisch ja.
Nur würde dieser Stil das Gedicht total entstellen.

... wuerde es nicht auch den Sinn ein wenig, veraendern? Der doppelte Konjunktiv hoert sich zwar seltsam an, aber wenn man
"Wüßt ich, wüßt ich, daß du mich
Lieb und wert ein bißchen haeltst,
..."
schriebe, wuerde das nicht implizieren, dass sie ihn tatsaechlich "Lieb und wert haelt" und er es eben bloss nicht weiss, was ja paradox ist, sonst koennte er sein Lied ja gar nicht mit "wuesste" beginnen, denn er singt ja drueber huch augenrollen hoho

Um seine Aussage nochmal in einem logischeren Aufbau zu wiederzugeben:

"Wenn/Falls du mich ein bisschen lieb und wert hieltest (...), und ich dies wuesste..."
26.03.08 23:44
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icelinx


Beiträge: 716
Beitrag #6
RE: Gedicht
Nun, da gibt's grundsätzlich folgendes:

1. Wüsste ich, dass du mich liebst...
(2 Möglichkeiten: sie liebt mich oder nicht. Aber welche ist wahr?)

2. Wüsste ich, dass du mich lieben würdest ....
(Da müsste aber noch 'ne Bedingung dranhängen).

Ich glaube aber eher, dass die Verdopplung ein Stilmittel zu dieser Zeit waren, so wie man auch oft Negationen verdoppelte (und heute noch in Dialekten macht).
"Ich fahre niemals nicht nach..."
27.03.08 00:58
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #7
RE: Gedicht
1. Der "Ersatz" des Konjunktivs II durch den Indikativ im Nebensatz ist möglich, denn der Autor hat hier den (logisch eigentlich nötigen) Indikativ durch eben diesen Konjunktiv ersetzt.
Diese Art von Angleichung des Prädikats eines abhänigigen Satzes an den übergeordneten Satz heißt "attractio modi" und ist an sich nicht selten - allerdings in der Gegenwart nur noch sporadisch zu finden. (Grund ist m. E. die zum Teil haarsträubende Unkenntnis der heutigen Muttersprachler über Formen und Verwendung des Konjunktivs - und wenn man nicht weiß / sich nicht sicher ist, wie eine Sache funktioniert, vermeidet man sie weitgehend.)

2. "Und von dem, was ich für dich [fühle],
nur ein Hundertteilchen fühltest"

3. "Dass dein Dank hübsch meinem Gruß
Halben Wegs entgegen käme,"
Recht poetisch. Gemeint ist wohl, dass sich der Autor darüber freuen würde, wenn die im Gedicht angesprochene Person auch etwas für ihn empfände, so dass sie sich ebenso zu ihm hingezogen fühlt, wie er zu ihr. Er wünscht sich also, dass nicht nur er Worte, Gedanken usw. an diese Person schickt, sondern dass sie von sich aus dasselbe tut, so dass sich ihre Grüße, Worte, Gedanken usw. gleichsam auf halber Strecke treffen. Im Moment müssen wohl nur seine eigenen den ganzen Weg bis zu der angesprochenen Person alleine gehen.

at oojika:
Zu "benutzen/benützen" - "benützen" ist nicht falsch, sondern regional, siehe Duden
"be|nut|zen, (südd., österr. u. schweiz. meistgrins benützen".
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.03.08 07:57 von Botchan.)
27.03.08 07:57
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Gedicht
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