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Tod und Ehre
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Maik


Beiträge: 2
Beitrag #1
Tod und Ehre
Hallo ihr Lieben,

auf Grund einer Situation innerhalb meiner Familie (Hälfte deutsch, Hälfte japanisch), bin ich auf eine fürmich sehr schwierig zu beantwortende Frage gestoßen, welche mich doch sehr beschäftigt. Es geht um den Tod, die Ehre und Würde in der japanischen Kultur.
Ursprünglich stellte sich hierbei die Frage, ob im schweren Krankheitsfall, die Sterbehilfeeinen würdelosen Tod darstellt, woraus für mich die generelle Frage über die Ansichten zum Tod und der japanischen Kultur resultiert.
Ich habe dies in einigen Fragen zusammengefasst und hoffe ihr könnt mir weiterhelfen.
Dies sind meine Fragen:

Ist der Krankheitsbedingte Tod in Japan, nur durch das Unterlassen bestimmter medizinischen Möglichkeiten, bereits als würdelos anzusehen?
Wie ist es bei einem Tötungsdelikt, ist ein Tod würdelos, wenn er vorsätzlich oder durch unachtsamkeit von jemand anderem verursacht wurde? (z.B. fahrlässige Tötung oder auch Mord)
Wie steht es um die würde bei einem Suizid und gibt es unterschiedliche Betrachtungen bei unterschiedlichen Gründen? (z.b. Unfähigkeit die Familie zu versorgen, aus Liebe und Verlust oder auch aus selbstsüchtigeren Gründen)
Und zuletzt, lässt sich die Ehre eines Menschen mit Fehlverhalten im Leben durch bestimmte Rituale auch im heutigen Kulturellen denken noch wiederherstellen? (Beispiel: Dieb, Betrüger, Mörder)

Ich weiß das dies viele Fragen sind, vielleicht zu viele auf einmal, aber mich interessiert dieses Thema einfach sehr, da es sich stark vom hiesigen Denken zu unterscheiden scheint.

Falls Konflikte bezüglich der Religion auftreten sollten, ich befinde mich gedanklich immer im, in Japan generellstark verbreiteten, Mix aus Buddhismus und Shintoismus.

Danke im Voraus für alle Antworten.
29.12.17 16:21
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Maik


Beiträge: 2
Beitrag #2
RE: Tod und Ehre
(29.12.17 17:12)moustique schrieb:  Jemand zu einem Suizid zu ermutigen oder gar Hilfestellung zu geben, ist meines Wissens nicht vom Gesetz erlaubt. Und wird genauso geahndet wie Mord.
Wenn du in diesem Fall bist, oder du kennst jmd der so etwas plant, empfehle ich dir einen Seelendoktor aufzusuchen oder zumindest mit dieser Person zu einem Seelendoktor zu gehen.

Davon redet doch niemand. Es geht mir vielmehr um den Umgang mit solchen Situationen in der japanischen Gesellschaft ganz allgemein. Ich weiß von meiner Frau beispielsweise, dass Schwerverbrecher generell möglichst weitgehend aus dem öffentlichen Bild ferngehalten werden sollen und die ganz schlimmen sogar möglicht schnell hingerichtet, sozusagen um die Reinheit wieder herzustellen. Aber wie sieht man diese Menschen dort nach dem Tod?
In meinem familären Fall ist einfach die Frage über die Ansicht des Todes grundsätzlich aufgeworfen wurden. Es ging hier um eine erkrankte die durch Ihre Erkrankung den Tod erlitten hätte und dies in einer ohnehin ausweglosen Situation, doch unser japanischer Familienteil betrachtete die von Grund auf als Würdelosen Tod.
Ich frage mich also inwiefern sich die Denkweise hier von der deutschen unterscheidet?
Natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen, aber kulturelle 'Regeln'.
29.12.17 17:31
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yamaneko


Beiträge: 3.687
Beitrag #3
RE: Tod und Ehre
Das Thema Selbst-Tötung, wie ein österreichischer Psychiater lieber gesagt hat zum Suizid, hat mich immer interessiert und ich hatte auch beruflich nicht nur mit Selbstmord-Drohungen zu tun.
Ich habe während des 2. Weltkrieges eine "reichsdeutsche" Lehrerin bekommen (statt einer sehr lieben Österreicherin, die nach Polen versetzt wurde)und die hat uns von den japanischen Helden vorgeschwärmt, die ich heute "Selbstmordattentäter" nenne. Es war nicht immer Idealismus...

Ich kann mir vorstellen, dass man sein Leben beenden will aus Angst vor Demenz usw. und bin daher für die Möglichkeiten die es in der Schweiz gibt, die vermutlich bekannt sind durch entsprechende Filme.
Beim Suchen nach dem Titel bin ich auf diesen lesenswerten Artikel gekommen:
Sterbehilfe als „Versicherung“ siehe "Suizidhilfe ist eine Sache der Privilegierten"


Besonders beeindrucken fand ich den Film
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ausl%C3%B6schung

Die Auslöschung ist eine österreichische[1] Produktion unter Beteiligung der Fernsehanstalten ORF und SWR aus dem Jahr 2013. Das Drama erzählt von der späten großen Liebe einer Restauratorin (Martina Gedeck) und eines Kunsthistorikers (Klaus Maria Brandauer)....

und jetzt mache ich lieber Schluss, sonst gestehe ich noch, dass ich Japanisch gelernt habe, nicht nur weil mich die Kanji so interessiert haben, sondern auch weil mich das Thema Japan und die Einstellung zum Suizid noch mehr interessiert hat.
yamaneko

29.12.17 18:09
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Yano


Beiträge: 2.920
Beitrag #4
RE: Tod und Ehre
(29.12.17 17:31)Maik schrieb:  Natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen, aber kulturelle 'Regeln'.
Bilanzselbstmord gibt es dort wie hier, und seine gesellschaftliche Akzeptanz ist in Japan wohl stärker als in Deutschland. Man kann zumindest sagen,daß es in Japan weniger verpönt ist als in Deutschland, diese Akzeptanz zu formulieren. Ich habe an anderer Stelle darüber vor Jahren geschrieben.
Doch bei Deinem Beispiel kritisiert jemand den Verzicht auf einen Bilanzselbstmord. Solche Kritik ist problematisch. Auch in Japan darf man sowas zwar unter Unbeteiligten diskutieren aber nicht den Betroffenen damit konfrontieren, das geht gar nicht.
29.12.17 19:41
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yamaneko


Beiträge: 3.687
Beitrag #5
RE: Tod und Ehre
(29.12.17 19:41)Yano schrieb:  [quote='Maik' pid='142201' dateline='1514565082']
Ich habe an anderer Stelle darüber vor Jahren geschrieben.

diese Stellle hätte ich gerne gelesen und daher gesucht. Dabei bin auf eine Seite gestoßen, die zum Thema paßt:
https://www.welt.de/vermischtes/article146644771/
Japan: Wenn Schüler nur noch den Suizid als Ausweg sehen - WELT
https://www.welt.de › Panorama

ich hatte von Japan den Eindruck, dass es ein "unwürdiges Weiterleben" geben kann und der Selbstmord Pflicht war in den verschiedensten Situationen. Dass jetzt Familien das freiwillige Sterben als unwürdig bezeichnen würde mich in Österreich mehr wundern als in Japan.

(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.12.17 20:01 von yamaneko.)
29.12.17 20:00
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Hachiko
Gast

 
Beitrag #6
RE: Tod und Ehre
Dass Japaner eine völlig andere Einstellung zum Tod haben, verstand ich spätestens dann als
eine gute japanische Freundin aus alten Münchner Zeiten mich wissen liess,
dass sich ihr ebenfalls mit mir befreundeter Bruder das Leben genommen hatte und meinte es sei nun mal
seine Entscheidung gewesen. Das erzählte sie beinahe salopp, ohne jeglichen Hauch von Sentimentalität
oder Traurigkeit, so als sei er von einem Spaziergang nicht mehr zurückgekehrt. Dabei stand sie ihm zeit-
lebens sehr nahe.

Eine Erklärung zu dieser Einstellung mag man wohl hier finden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Seppuku
29.12.17 23:41
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Elsa


Beiträge: 83
Beitrag #7
RE: Tod und Ehre
Ich glaub, das ist ein bisschen ein Missverständnis. Ich lese gelegentlich zum Thema Tod und noch nie habe ich irgendwo jemanden schreiben sehen, dass diese oder jene Art zu sterben ehrlos wäre. Wenn das so ein Thema wäre, würde das doch irgendwo mal einer erwähnen. Und gerade Selbstmord ist ja keine große Sache in Japan (also schon, weil viele Leute Selbstmord begehen etc aber nicht so wie in der christlich geprägten Welt, wo es eine schwerwiegende Sünde ist). Und Mordopfer ehrlos bezeichnen, das kommt weder in Nachrichten noch Krimis je vor und wäre ja auch ein bisschen fies. Japan ist jetzt auch nicht so geheimnisvoll anders, als der Westen.

In dem Gespräch, wo es vielleicht zu dem Missverständnis kam, ging es ja speziell um Sterbehilfe. Was ich dem Zusammenhang mal gelesen habe, war die Formulierung 尊厳死 (そんげんし), sowas wie würdevoller Tod. Und denk mal drüber nach, den Gedanken gibt es doch überall. Das Menschen lieber würdevoll sterben sollten, solange sie noch Herr ihrer Sinne sind bzw natürlich sterben sollten, als an Schläuche angeschlossen. Der Japaner, der zu dem Thema schrieb, war allerdings anderer Meinung. Er fand den Brauch hier ganz schlimm, wo wir unsere alten Leute alle umbringen, um sie loszuwerden, wenn sie anfangen Zeit und Geld zu kosten. (Man merkte gleich, er war bestens über die Praktiken in Europa informiert ※Ironie※). Kann auch sein, dass deine Frau das meinte (das sie es würdelos findet, wie wir unsere alten Leute aus dem Weg räumen).

Kann auch sein, dass ich mich total irre und es steckt doch noch was anderes dahinter (Bushido? Aber das wäre dann auch schon 200 Jahre aus der Mode und galt ja auch nicht für jeden). Frag doch mal deine Frau deswegen. Ich würde mich freuen, wenn du uns dann über das Ergebnis berichtest. Wie gesagt, ich finde das Thema Tod auch spannend.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.01.18 16:31 von Elsa.)
01.01.18 16:29
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yamaneko ohne Passwort
Gast

 
Beitrag #8
RE: Tod und Ehre
(01.01.18 16:29)Elsa schrieb:  In dem Gespräch, wo es vielleicht zu dem Missverständnis kam, ging es ja speziell um Sterbehilfe. Was ich dem Zusammenhang mal gelesen habe, war die Formulierung 尊厳死 (そんげんし), sowas wie würdevoller Tod. Und denk mal drüber nach, den Gedanken gibt es doch überall. Dass Menschen lieber würdevoll sterben sollten, solange sie noch Herr ihrer Sinne sind bzw natürlich sterben sollten, als an Schläuche angeschlossen.
Ich war vor drei Jahren mit sehr großen Schmerzen in einem Spital und bekam Infusionen, dann dazu ein Morphiumpflaster. Ergebnis: ich bin gestürzt und konnte mich nachher an nichts erinnern.Ich war verwirrt,
Ergebnis: ich bekam eine Zuweisung zu einer Neurologin und zu einem Psychologen mit der Frage: Demenz, Alzheimer ? SAE?
Man hat mich dann so behandelt, als wären alle Arten der Demenz bei mir feststellbar. Merkwürdigerweise habe ich mir trotz einiger Schläuche keine Sterbehilfe erträumt, sondern ich war zornig, dass man mich nicht als mündige Patientin behandelt hat und mich über SAE aufgeklärt hat. Im Spital wurde Pflegegeld für mich beantragt. Nach der Entlassung mit Heimhilfe konnte ich mich über SAE im Internet informieren, dann kam der Amtsarzt zur Feststellung der Demenz und dann hat er sich aufgeregt: "Sie bekommen kein Pflegegeld, Sie sind doch durchschnittlich beim Intelligenztest, Sie haben eine altersentsprechende Intelligenz" (Worüber ich Grinsen musste, denn altersentsprechend ist in meinem Alter
trauriggrrhuch )
Also Wunderheilung nach Antrag auf Pflegegeld.
und da mein Firefox abgestürzt ist kann ich nur ohne Passwort schreiben, dass ich mit meiner Patientenverfügung ein Abschalten von Geräten zur Lebensverlängerung bei einem "unwürdigen Leben" verlangt habe, aber es war noch nicht so weit..grinshohozunge
04.01.18 01:51
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Hachiko
Gast

 
Beitrag #9
RE: Tod und Ehre
Die Art wie du im Spital bzw. Amtsarzt behandelt wurdest, bestätigt aufs Neue, dass sich in Österreich wirklich jeder Depp mit Matura in einem so sensiblen Fach wie Medizin inskribieren darf.
04.01.18 05:02
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yamaneko


Beiträge: 3.687
Beitrag #10
RE: Tod und Ehre
(04.01.18 05:02)Hachiko schrieb:  Die Art wie du im Spital bzw. Amtsarzt behandelt wurdest, bestätigt aufs Neue, dass sich in Österreich wirklich jeder Depp mit Matura in einem so sensiblen Fach wie Medizin inskribieren darf.
Es studieren viele Deutsche in Österreich, die keinen Platz in der Heimat bekommen hatten. Aufnahmsprüfungen wurden 2017 von 90% bestanden.

04.01.18 05:39
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Tod und Ehre
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