Schönen guten Tag zusammen,
auch wenn ich in den letzten Jahren mehr passiver als aktiver Nutzer dieses Forums war, werden mich vielleicht noch manche aus meiner aktiveren Zeit kennen.
Mit diesem Thread möchte ich andere, an einem Leben und Arbeit in Japan interessierten, Schüler (und Studenten der Japanologie) ermutigen sich trotz der Unkenrufe bzgl. des Studienfachs Japanologie (und deren Zukunftschancen) für dieses Fach zu entscheiden, da aufgrund meiner Erfahrung dies so ziemlich den besten Weg darstellt sich ein Leben in Japan aufzubauen.
Wem der Text zu lang ist, aber zumindest eine Basis an Informationen in Form von Vorraussetzungen für diesen Weg mitnehmen will, kann ganz nach unten scrollen, dort liste ich kurz die Vorraussetzungen auf.
Ich hatte ca. 2013 einen Thread eröffnet welcher Jobhunting in Japan oder so ähnlich hieß. Zunächst hatte ich zwar vor mich während meines Austauschjahres ins Jobhunting zu stürzen, jedoch auch schnell rausgefunden, dass dies als Austauschstudent nicht wirklich realistisch ist.
Also das Projekt ein wenig nach hinten verschoben.
Hab also, nachdem ich zurück in Deutschland war, erst einmal meinen Bachelor in Asienwissenschaften (Japanologie) abgeschlossen und davor noch den JLPT N1 gemacht (für den hab ich von Beginn meines Japanisch-Lernens, bis zur (bestandenen) Prüfung genau 3 Jahre und 9 Monate gebraucht).
Anschließend bin ich mit dem Vollstipendium der japanischen Regierung (MEXT) zurück an meine Austauschuni (Uni Tsukuba), und habe hier nach einem Jahr als "Forschungsstudent" (研究生), was ich wegen der Aufnahmeprüfung machen musste, meinen Master begonnen.
Im Frühjahr letzten Jahres stand dann auch endlich das an, was ich die ganzen letzten Jahre angestrebt hatte, das Jobhunting zusammen mit den ganzen anderen japanischen Studenten aus meinem Jahrgang. Also den ganz "normalen" japanischen Weg um nach der Uni an eine Festanstellung zu gelangen.
Da es in Japan ziemlich egal ist was man genau studiert hat, ist man, solange es kein technischer Beruf ist, ungeachtet seiner Fachrichtung frei darin sich bei allen möglichen Firmen aus allen möglichen Bereichen zu bewerben. In meinem Fall war dies die Finanzbranche, für die ich mich nun schon sehr lange interessiert habe. (Kleine Zusatzinformation: Laut den Daten der japanischen Regierung von 2013 ist die Finanzbranche wohl die Branche mit dem geringsten Ausländeranteil)
Dass es zwar einige Chinesen und Koreaner gibt, welche hier auch beim Jobhunting mitmischen, wusste ich, was mich jedoch überrascht hat war, dass ich, als ich einige Veranstaltungen der großen Banken, Investmenthäuser, und Vermögensverwaltungen in Tokyo mitgemacht hab, keinen einzigen anderen Kaukasier entdecken konnte. Auch bei Veranstaltungen mit knapp 1000 Teilnehmern, war ich stets der einzige Nicht-Asiate. Warum ich das betone, darauf komme ich später noch einmal zurück.
Ich bin also ca. 3 Monate jeden Tag von Tsukuba nach Tokyo gependelt und bin von Finanzunternehmen zu Finanzunternehmen und habe dutzende Informationsveranstaltungen, Gesprächsrunden (座談会)und Bewerbungsgespräche über mich ergehen lassen.
Anhand der Überschrift dieses Threads lässt sich wohl schon erschließen, dass es letztendlich ziemlich gut gelaufen ist, aber bevor ich jetzt das Ende vorweg nehme, will ich die Schwierigkeiten natürlich nicht außen vor lassen.
Die Sache mit der ich die größten Probleme hatte waren mit Abstand die Online-Tests(WEBテスト), nicht zu verwechseln mit dem SPI(!). Das sind Tests die die sprachlichen Fähigkeiten (Textverständnis!), analytische Fähigkeiten, sowie den Charakter der (in der Regel) japanischen Bewerber testen und einzig und alleine dafür dienen die absolut ungeeigneten Bewerber von vornherein auszusortieren. Wobei die Schwelle(足切り)dabei je nach Firma stark variiert. Mit dem analytischen Teil hatte ich in der Regel relativ wenig Probleme, jedoch hat mir bei vielen Firmen der Sprachteil das Genick gebrochen. Es ist nicht so, dass dieser Teil unglaublich schwer wäre, im Gegenteil, mit dem Inhalt hatte ich in der Regel eher wenig Probleme. Jedoch gibt es ein Zeitlimit. Und das ist gnadenlos. Die meisten Muttersprachler bekommen bei den Tests schon Zeitprobleme. Wie das dann bei einer Person ist, welche Japanisch als Fremdsprache im Alter von 20 Jahren angefangen hat zu lernen, kann man sich vorstellen. Ich bin das dann letztendlich so angegangen, dass ich nur die kurzen Texte mit ihren Fragen wirklich beantwortet habe, und die längeren Texte übersprungen habe (zufällig auf irgendeine Antwort geklickt).
Mit dieser Methode bin ich letztendlich bei ca. 40% der Firmen durchgekommen und wurde zu einem Bewerbungsgespräch/Recruitergespräch eingeladen.
(Fun-fact: Um bei den Bewerbungsgesprächen der japanischen Unternehmen gut erklären zu können warum ich nicht zu einer ausländischen (Investment-) Bank gehe, habe ich mich einfach mal bei Goldman-Sachs beworben, wo ich insgesamt auch in die vierte Runde gekommen bin, bevor ich ausgestiegen bin. Und ja, die Mitarbeiter dieses Unternehmens sind genauso wie man sich das so vorstellt... Schlimm.)
Um die Geschichte zum Ende zu bringen: Ab dem ersten April diesen Jahres fange ich bei der größten japanischen Investmentbank (証券会社)als Festangestellter mit lebenslanger Anstellung, und allen damit verbundenen Vorteilen, an. Also ganz traditionell, und kein spezielles Ausländer-Recruiting, etc.
Laut Aussage meines Recruiters bin ich zudem der erste Kaukasier überhaupt, welcher über den traditionellen Weg dort anfängt (in meinem Jahrgang sind ansonsten noch ein Chinese, sowie ein Koreaner, welche jedoch beide in Japan aufgewachsen sind). Und ich bin der erste Ausländer überhaupt in der Geschichte des Unternehmens, welcher eine Empfehlung eines Recruiters erhalten hat. Das Unternehmen existiert seit 100 Jahren.
Natürlich, bin ich extrem stolz darauf, was ich erreicht habe, jedoch bin ich auch der Meinung, dass dies, mit ein wenig Anstrengung, längst kein Ding der Unmöglichkeit ist.
Meiner Erfahrung nach, welche ich in den letzten Jahren gesammelt habe, fehlt es einfach nur an Personen die sich trauen diesen Weg zu gehen. Die meisten meiner Kommilitonen aus meiner Zeit an der Japanologie der Uni Bonn haben nach Beendigung des Bachelors kalte Füße bekommen und ein Wirtschaftsstudium in Deutschland hinten angeschlossen.
Wenn jedoch einer ein ernstes Interesse an einem Leben in Japan hat, sollte dieser, meiner Meinung nach, ein Studium der Japanologie aufnehmen (ist der effizienteste Weg in Deutschland schnell auf ein extrem hohes Sprachniveau zu kommen, und man kann viel über das japanische Wirtschaftssystem, dessen Eigenheiten und das jap. Recruitingsystem lernen), dort alles tun um auf ein möglichst hohes Level im Japanischen zu kommen und anschließend an eine (gute --> viele Unternehmen sehen sich erst gar keine Bewerbungen von niedrig eingestuften Unis an!) japanische Uni gehen, um sich dann dort, während des Masters, der Jobsuche zu widmen.
Letztendlich kann ich den Erhalt der Zusage meines zukünftigen Arbeitgebers einzig und alleine auf 2-3 Punkte runterbrechen. Der erste, und wichtigste, sind die Japanisch-Kenntnisse (ich würde mich auf ein C2 Niveau einschätzen). Bei Gruppeninterviews und auch den sonstigen Gesprächen konnte ich damit punkten, dass ich im Finanzbereich über einen größeren Wortschatz verfüge als der durchschnittliche japanische Bewerber. Dadurch war ich in der Lage mich in vielen Gesprächen eloquenter auszudrücken als ein Muttersprachler. Damit zusammenhängend der zweite Punkt: Ich habe im Laufe der Zeit durch Selbststudium ein relativ großes Wissen bzgl. der Finanzbranche erworben. Dadurch konnte ich meinen Recruitern wesentlich genauer erzählen was ich genau machen möchte, und weshalb mir das Unternehmen gefällt.
Und der dritte Punkt, welcher Ausländer-spezifisch ist: Ich konnte sehr gut erklären weshalb ich in Japan arbeiten und leben möchte und nicht in meinem Heimatland. Vor allem damit haben viele Studenten aus dem ostasiatischen Raum Probleme.
Und das ist eigentlich alles, mehr brauchte es im Endeffekt nicht. Außer natürlich immer sehr gut informiert zu sein. Das Alter (bin jetzt 27), sowie die Tatsache, dass man Ausländer ist, ist überhaupt kein Problem. Die Sprachfähigkeiten öffnen eher Türen.
Die Zusammenfassung der Vorraussetzungen:
Sprache: JLPT N1 (wer sich ranhält schafft den in 3-3.5 Jahren) ist Pflicht. Das tatsächliche Niveau muss jedoch noch gut darüber liegen.
Studium an japanischer Uni! Wer das Geld hat, sollte sofort nach dem Bachelor rüber gehen und seinen Master hier beginnen. Wer, wie ich, kein Geld hat braucht ein Stipendium. Im besten Fall das rundum-sorglos-Paket von MEXT. Das Studienfach spielt absolut keine Rolle für die Jobsuche. Mach das woran du Interesse hast/was du kannst.
Wissen über die Branche in die man will. Dadurch kann mich sich in Interviews besser erklären, und hat einen größeren Wortschatz als die anderen Bewerber.
Man muss erklären können warum man langfristig in Japan leben und arbeiten will. Die Unternehmen haben Angst, dass man in kurzer Zeit wieder in sein Heimatland zurückkehrt.
Und das wars eigentlich schon.
Ich hoffe es war einigermaßen informativ, und kann einige von euch dazu bewegen in meine Fußstapfen zu treten.
Wer Fragen hat, kann diese natürlich stellen, ich versuche alle zeitnahe zu beantworten (hab bis zum 24.1 jedoch einiges zu tun, weshalb es bis dahin Verzögerungen geben kann).
Liebe Grüße,
dieLegende
PS.: Ich habe dies alles ohne einen einzigen Cent Unterstützung meiner Eltern, etc. geschafft. Seit meinem Studienbeginn in Bonn 2011 bin ich ausnahmslos mit Bafög, Auslandsbafög, Kindergeld, sowie dem MEXT-Stipendium über die Runden gekommen.