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Japanisch Lehrmethoden
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Katatsumuri


Beiträge: 88
Beitrag #11
RE: Japanisch Lehrmethoden
Also, ihr Lieben, vielen Dank für eure Anteilnahme. Ich habe bisher leider immer noch niemanden (auch in meinem privaten Bekanntenkreis) gefunden, der Japanisch so ähnlich unterrichtet, wie ich das vorhabe. Alle gehen anscheinend "nur" die Lehrbücher durch und peppen das höchstens etwas auf. Ich finde die Vorgehensweise der mir bekannten Lehrbücher jedoch unsinnig, da sie (lange) nicht zum freien Sprechen und auch nicht zum Lesen von "authentischem Material", wie z.B. japanischen Bilderbüchern o.ä. befähigt.
Wir hatten nun die ersten drei Stunden und bisher scheint die Methode zu funktionieren. Wir haben jedenfalls viel Spaß im Unterricht und kommen sogar recht zügig voran. (wie weit man eben in 3 Stunden kommen kann... ;-) )
Ich schreibe viele Texte selbst, damit möglichst viel Lese-Input (in Kana und Kanji) stattfindet. Ich möchte, dass die Schüler die Kana in der Anwendung über das Lesen lernen, nicht nur über stumpfes Auswendiglernen, denn ich möchte nicht dass die "schwachen" Schüler auf der Strecke bleiben. Deshalb gibt es ab jetzt in jeder Stunde ganzseitige Texte auf dem jeweiligen Niveau und unter Verwendung einer begrenzten Kana-Anzahl, die über den Kurs so erweitert wird, dass sie am Ende des Semesters alle Hiragana sowie einige Katakana und Kanji gelernt haben werden. Geeignete lange Texte gibt es leider nirgends, sodass ich bisher alles selbst schreiben muss.
Grammatikalisch fokussiere ich mein Vorgehen auf wichtige grammatische Grundstrukturen, d.h. nach diesem Semester sollen sie in der Lage sein, in einfachen kurzen Sätzen frei über alles sprechen zu können, was ihnen auf dem Herzen liegt. Dazu ist natürlich auch Vokabular wichtig, von dem auch viel in Lehrbüchern irgendwie gar nicht sinnvoll vorkommt (Richtungen! Verben! Satzverbindungen!). Die ersten Wörter, die ich ihnen unterrichtet habe, waren Fragewörter. "Wer?Was? Wo?" :-) Als Input (von mir) kommt aber auch mehr Sprache, die sie noch nicht selbst anwenden können müssen. D.h. ich gebe z.B. Anweisungen im Unterricht in der "て"-Form, deren Bildungsregeln wir natürlich noch nicht genau behandelt haben. Dadurch gewöhnen sie sich daran, Verben auch in anderen Formen als der "ます"-Form zu hören und bekommen auch "echtes" Japanisch zu hören statt reines "Lehrbuch-Japanisch". Formen, die Lehrbücher anfangs einführen, die aber nur eine sehr begrenzte Anwendungsmöglichkeit haben wie z.B. "〜ませんか。〜ましょうか。" werden erst einmal weggelassen und kommen später dran, wichtiger finde ich, dass Basis-Aussagesätze (und Fragen) mit Objekt richtig und flüssig angewendet werden können.
Der Vorteil ist eindeutig, wenn ich ein Thema (ob Grammatik oder neue Schriftzeichen) dann explizit erkläre, ist bei den Schülern schon ein Aha-Effekt zu spüren, wie sich dann in derartigen Unterrichtsgesprächen zeigt: "Ach, stimmt, das ist doch das letzte Schriftzeichen aus ドイツ!" "Genau! Welches Schriftzeichen ist es dann wohl?" "Ein 'tsu'" "Genau, richtig, es wird so und so und so geschrieben..."
Wie schon erwähnt, ist mein Lehrbuch natürlich vorgeschrieben, d.h. ich muss schon sehen, dass ich grob inhaltlich auch die Dinge vermittle, die im Lehrbuch vorkommen. Darum habe ich auch mit "です" angefangen. Der Witz ist aber, dass die grundsätzlichen Dinge schon so gut sitzen bei den Schülern durch die vielen Wiederholungen, dass man im Endeffekt leicht noch einzelne Grammatik dazwischenschieben kann. Inzwischen halte ich es daher für noch weniger schwierig, die Dinge aus dem Lehrbuch mit abzuhandeln, selbst wenn man an einem anderen Ende anfängt. Sollte ich also nochmal so einen Kurs von Anfang an leiten, werde ich vielleicht da noch "radikaler"... :-)
Ich bin sehr gespannt, ob es weiter so läuft, wie ich mir das vorstelle. Bisher bin ich recht begeistert.
Die meisten meiner Schüler sind übrigens sehr jung, aber es gibt auch ältere. Vorwissen und Lerngeschwindigkeiten sind unterschiedlich.
02.11.15 08:02
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Nia


Beiträge: 3.793
Beitrag #12
RE: Japanisch Lehrmethoden
Deine Anfängertexte klingen sehr interessant.
Oft ist es doch so, dass man sich etwas zu lesen sucht, aber schnell aufgeben muss, weil eben noch zuviel unbekanntes drin ist.
Klar, ein paar Möglichkeiten/Kurztexte wie z.B. im Sauseschritt gibt es schon.
Trotzdem denke ich auch, da zusätzlich Texte zu bieten ist toll!

“A poet is a musician who can't sing.”
― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind
02.11.15 18:55
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Katatshmuri ohne Login
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Beitrag #13
RE: Japanisch Lehrmethoden
Seit einem Jahr gebe ich jetzt also Kurse... Im Allgemeinen läuft es damit ganz gut. Mit Interesse verfolge ich jetzt Wandors Thread und besuche ab und an auch mal Kurse bei anderen Lehrern, um besseren Unterricht für meine Schüler zu machen. Das größte Problem bei uns ist allerdings, dass auf Dauer die Kurse irgendwann aufgrund zu weniger Teilnehmer aufhören. Darum bin ich nun am Überlegen, einen Level übergreifenden Kurs zu gestalten, was aber im Anfangsstadium nicht so einfach ist. Die Idee ist, Schüler, die Grundlagen wie die Kana , Te-Form und neutrale Form können, zusammen zu unterrichten, ohne genau einem Lehrbuch zu folgen. So, dass Leute auch später dazukommen können... ein mehrsemestriger Kurs, in den man jedes Semester einsteigen kann. Ob das möglich ist?
05.10.16 18:31
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Nia


Beiträge: 3.793
Beitrag #14
RE: Japanisch Lehrmethoden
Die Frage ist, was das Ziel des Kurses ist.
Wenn es z.B. darum geht Nichtsprecher zu Sprechern werden zu lassen, weil einfach die Austauschmöglichkeit vorher gefehlt hat... geht das bestimmt...

Auch Anfänger können einfacherer Fragen stellen, verstehen vielleicht schon mehr als sie selbst sagen können etc.

“A poet is a musician who can't sing.”
― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind
05.10.16 19:06
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moustique


Beiträge: 1.811
Beitrag #15
RE: Japanisch Lehrmethoden
Also was ist das Problem, dass man keine Leute/Kunden/etc bekommt?

Es ist die Psysche des Einzelnen im Rudel. Genauso geht es Japanern, wenn die von Auslaendern angequatscht werden.
Die wuerden eher vom Wolkenkratzer springen, als sich in die Hoehle des Loewen zu begeben.
(Selbsterfahrung).

Die Angst sich zu blamieren, weil man eventuell dumme Fehler macht.
Die Schrift an sich.
Die Woerterbuecher, die keine Hilfe geben. Weil man a) die Lesungen nicht kennt und b) auch keine Hilfe hier bekommt.

Wie dem beikommen?
Keine Ahnung,
"Denn wenn der Loewe, der Mut verlaesst, ist er nicht mehr Wert, als eine Maus."
Frage:
Wie schaetzt du dich ein? Herr/Frau Mitleser?

Fuer die Vertiefung der Vokabeln, geht es zum einen ueber Texte lesen, auf jedes Wort Fragen stellen und Antworten bekommen.
Aber das sollte auch vertauscht unterrichtet werden.

Dann wenn erst mal das alles sitzt, ueber Skype, Unterrichtstunden vereinbaren.
Hier aber nicht eine neue Lektion lernen, sondern mit dem bereits, errungenem Wissen, weiter ein Frage/Antwort Spiel durchfuehren.



Von daher, waer es vorteilhaft, von Anfang an, darauf hinzuweisen, so wenig wie moeglich, Deutsch zu verwenden.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.10.16 20:53 von moustique.)
05.10.16 20:40
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Katatsumuri ohne Login
Gast

 
Beitrag #16
RE: Japanisch Lehrmethoden
Moustique, das sind meist ganz nachvollziehbare Gründe, die mit der Sprache selbst gar nichts zu tun haben: Umzug, neuer Job mit anderen Arbeitszeiten, Krankheit (eigene oder in der Familie) usw. Dadurch, dass man schon mit wenigen anfängt, sind eben nach 2 Jahren oder so irgendwann nicht mehr genug für einen ganzen Kurs da. Da das aber jedes Jahr passiert, gibt es eigentlich noch Leute, die weitermachen wollen, nur eben nicht alle auf einmal auf exakt demselben Niveau...

Nia, hast du vielleicht konkrete Ideen? Ich dachte selber an einen Lektüre Kurs, Konversation wäre natürlich auch super. Oder eine Kombination...

Ach so: einiges neue müsste bzw will ich da schon noch unterrichten, sodass eben irgendwann die Grundlagen der Grammatik auch durch sind (z.b. Konditional, Passiv u.a. fortgeschrittene Anfänger/Mittelstufenthemen), ich überlege, wie das klappt, dass alle auf Dauer Fortschritte machen und man nicht auf der Stelle tritt.
06.10.16 08:30
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moustique


Beiträge: 1.811
Beitrag #17
RE: Japanisch Lehrmethoden
Ich haette einige konkrete Beispiele. Ich stelle mal Zahlen davor, damit man die Beispiele sieht.

1) Da waer mal dieser Beitrag.
Thread-Geschichtenspiel-I-まんげつ-の-夜
Hier versuchen "Studenten" mit eigenen Worten, eine Geschichte aufzubauen.
Was fehlt sind Hilfen, fuer etwaige Fehlersuche. Wir wollen da unseren vdrummer nicht ueberfordern.

2) Dann habe ich auch geschrieben, dass man das auch mit hoeherem Niveau starten kann.
Also jene Gruppe, die im Niveau hoeher ist, koennte ebenfalls einen Beitrag mit einer Geschichte beisteuern.
Welche Geschichte, ist ihnen ueberlassen. Und da braeuchten wir wieder Unterstuetzung von noch mehr Fachleuten.

3) Als naechstes waere vielleicht einen Roman zu nehmen. Bei Aozora gibt es viel Material. Also etwas was so ziemlich viel Grammatisches Zeug in sich beinhaltet. Dann diesen Satz fuer Satz analysieren und auf ganz bestimmte Nuancen hinweisen.

4) Ich habe einen Beitrag angefangen, wo ganz bestimmte Teilsaetze, mit allerlei Partikeln versehen sind. Und da wollte ich diese uebersetzt haben.
Da wurde zB geschrieben, dass es keinen Unterschied macht ob da steht:
Hier mal der Beitrag.
Thread-die-kleinen-Partikel-haben-es-in-sich?highlight=kleinen partikel
Hier die Beispiele.

母の手、
母の手を
母の手に
母の手で
母の手から、
母の手と、
母の手では、
母の手でも、
母の手の
母の手が

Oder ergibt das wirklich keinen Sinn?
Wobei ich nicht recht weiss wie ich den Satz 母の手を uebersetzen koennte?

5) Dann waeren da noch die vielen Deutschen Begriffe, Floskeln, wie wir in unserem Alltag verwenden, die wir im Japanischen schoen braeuchten, um unsere Gefuehle zu vermitteln und natuerlich andere Floskeln auch.
Die hab ich bislang auch noch nicht in WB gefungen. (WB =Woerterbuecher).

wie kann man das sagen....
wo soll ich anfangen...
da haette ich eine Idee...
nur kann ich das so nicht sagen....
da waere da noch....
wobei ich nicht recht weiss....
ich moechte mal so gerne....
ach lass mich.....
lass mich mal machen...
Mutter wirds schon richten...
das hab ich bislang.......
Ich koennte ein ganzes Woerterbuch aufzaehlen, und es waeren immer noch nicht alle.

Eigentlich brauch man nicht weit zu suchen. Man nehme ein Woerterbuch und sucht nach deutschen Begriffen die man kennt.
Resultat ist, dass wenn was vorhanden ist, diese ohne Furigana da stehen und daher nicht eindeutlich gelesen bzw ausgesprochen werden koennen.
Und wenn keine vorhanden sind, dann wird der Verunglueckte halt zur Post geschleppt, weil das einfacher zu buchstabieren ist als der Luetgensplatz.

Wenn man noch mehr Beispiele haben will, dann versuche man mal das zu uebersetzen, was in unseren Beitraegen steht.
Ach wie schnell man dann seine Grenzen findet. Das alleine ist schon ueberwaeltigend.

Was man doch nicht alles mit einer Hand machen kann? Oder gar mit anderen Sachen?
http://collocation.hyogen.info/word/%E6%89%8B/wo
06.10.16 10:29
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Nia


Beiträge: 3.793
Beitrag #18
RE: Japanisch Lehrmethoden
Zitat:Nia, hast du vielleicht konkrete Ideen? Ich dachte selber an einen Lektüre Kurs, Konversation wäre natürlich auch super. Oder eine Kombination...

Ja, habe ich.

Wenn wir Kursteilnehmer A und B mit höherem Niveau haben und Kursteilnehmer C und D mit niedrigerem Niveau; könnten A und B entweder als Einzel oder auch als Teamarbeit erarbeitet für den Anfang einer Art 'Kurzvortrag' halten z.B. Thema 'Hobby' oder etwas japanisch bezogenes (z.B. Thema Tokio).
Die schlechteren Schüler hören zu, machen sich Notizen.
Dann dürfen sie sich im Team besprechen, was sie verstanden haben. Wenn möglich können sie auch versuchen, sich gegenseitig Fragen auf japanisch zu stellen oder gar zu unterhalten und wenn man nicht weiterkommt, eben auf deutsch umschwenken.

Dann dürfen sie gemeinsam so japanisch wie sie können erzählen was sie verstanden haben. Und wenn möglich noch offene Fragen auf japanisch an A und B stellen.

Danach wird offen nochmal auf deutsch gesprochen und auch die Probleme geschildert, was z.B. schwer zu verstehen war, unbekannt etc...

----

Auch könnten Alltagssituationen durchgespielt werden.

Schüler A fährt mit dem imaginiären Auto und hat ein Panne.
Schüler C ist in einem benachbarten Garten und gießt da meintwegen die Blumen.
Schüler A spricht Schüler C an und bittet um Hilfe.

Bla bla bla...

Dann tauchen wieder Probleme auf, die geklärt werden müssen. Themen werden aufgeworfen und vertieft. Vokabeln mit bildlichen Elementen verknüpft... Die kleine Blumengießkanne aus dem Unterrichtsraum wird eine visuelle Merkhilfe für die Vokabel 'Blumengießkanne', da man sie gedanklich verknüpft... etc.

Da kann man ja zig Beispiele finden. Das ist ja nicht schwer. Was schwieriger wird, wenn Schüler Angst vorm Sprechen haben, diese zu überwinden. Aber vielleicht geht das so verspielt ja ganz gut.
Könnte ich mir jedenfalls vorstellen.
Ich stelle mir viel Lachen und viel Input vor.

Jetzt mag ich wissen was Blumengießkanne heißt... rot

“A poet is a musician who can't sing.”
― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind
07.10.16 17:46
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Katatsumuri


Beiträge: 88
Beitrag #19
RE: Japanisch Lehrmethoden
Moustique, Nia, ich finde eure Ideen echt gut. Das mit der selbst erfundenen Geschichte ist super, genau wie die Vorträge und Rollenspiele!
08.10.16 07:33
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Nia


Beiträge: 3.793
Beitrag #20
RE: Japanisch Lehrmethoden
grins

Solltest du irgendetwas davon umsetzen, musst du uns aber berichten wie es gelaufen ist. grins

“A poet is a musician who can't sing.”
― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind
08.10.16 07:44
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Japanisch Lehrmethoden
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