Antwort schreiben 
Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Verfasser Nachricht
Ehemaliges_Mitglied
Gast

 
Beitrag #11
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Liebe Cat,

ganz kurz zu einer der Fragen: Ja, einiges gilt auf jeden Fall auch für Adjektive und Verben und meint die Höflichkeitsebene. Das ist auch logisch. Höfliche Formen sind in der Regel länger und reflektierter und eigenen sich deshalb beispielsweise weniger gut, ad hoc Gedanken und Überraschung auszudrücken. Das bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem "abunai desu" (Vorsicht!) sagt, um die Höflichkeitsebene zu wahren, aber bei Überraschung wird oft einfach ausgesprochen, ohne nachzudenken. Außerdem stehen sich Höflichkeit und Dringlichkeit ein wenig im Weg (dazu sehr schön auf Englisch: The IT Crowd, Staffel 1, "fire exclamation mark").
Auch Gedanken, die einen selbst betreffen, werden, wenn sie zu sich selbst gesprochen werden, neutral formuliert, denn es gibt ja keinen Grund, Höflich zu sich zu sein. Man hat einen miesen Job und sagt zu sich "yappa kono baito yameyô kanâ" (ich sollte den Job vielleicht doch hinwerfen ...). Selbst wenn es so gedacht ist, dass andere das hören können (oder sogar sollen), wäre es üblich, an sich gerichtet zu formulieren und dort hat die desu-masu-Ebene erst mal nichts verloren.

LG
24.10.19 14:11
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Dorrit


Beiträge: 1.002
Beitrag #12
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
(24.10.19 12:19)cat schrieb:  Wie ist das mit dem である? In welcher Form stehen da normale Verben? Wörterbuchform oder masu?

である seh ich öfters bei Wikipedia, manchmal auch im Daijisen (das Wörterbuch, das im Wadoku verlinkt ist).
Die anderen Verben sind dann in der Wörterbuchform geschrieben.
24.10.19 17:44
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
cat


Beiträge: 1.384
Beitrag #13
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Danke für die Antworten!

Was mir bei den Beispielen aus den Büchern aufgefallen ist: Ich kann noch nicht genug Japanisch um alles zu verstehen, aber die Übersetzungen sind ja teilweise meilenweit vom Original entfernt. Sind Romanübersetzungen immer so frei? Da macht der Stil vom Übersetzer schon sehr viel aus.
24.10.19 21:15
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Ehemaliges_Mitglied
Gast

 
Beitrag #14
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Liebe Cat,

das kommt ein wenig auf den Übersetzer und die Projektführung an. Bei Übersetzungen gibt es wohl zwei Lager. Das eine sagt: möglichst nah am Text, möglichst eins zu eins übersetzen. Das andere sagt: Möglichst einen guten Text in der anderen Sprache produzieren. Grundsätzlich kann man natürlich beides leisten und ich meine, am Ende sollte bei einer Übersetzung ein Text dastehen, der sich so liest, als ob er nicht übersetzt, sondern in der Sprache geschrieben wurde, aber trotzdem möglichst nah am Original steht. Problem: Das kostet viel Zeit und Erfahrung und damit Geld, das oft nicht vorhanden ist. Übersetzungen sind generell nicht so gut bezahlt, je nach Richtung eher sehr wenig (Manga) oder aber ganz akzeptabel (technische Übersetzungen).

(Edit: Ich hab mir jetzt mal die Übersetzung angesehen und fand bei Kitchen und bei einigen der Social-Media-Dinge, dass man eigentlich recht nah und doch gut in normales Englisch übertragen hat und dabei nicht mal so frei war)

Zu deiner anderen Frage von gestern noch mal: Einige der Funktionen von desu/da/dearu sind eher stilistischer bzw. pragmatischer Natur, das heißt, erst aus dem Kontext heraus oder durch das Medium selbst ergibt sich die Form oder wie es zu verstehen ist. Ein Beispiel: In dem Drama "Beautiful Life" (ich glaube 2002, mit Kimura Takuya) gibt es eine Szene, wo sich jemand mit "arigatô gozaimasu" bedankt. Das ist nun eigentlich erst mal normal. Aber im Kontext der Serie ist es so: Die beiden Protagonisten sind sich schon etwas nähergekommen, und jetzt schickt sie ihm die Jacke zurück, die er ihr geliehen hat. Sie möchte ihm nicht noch näherkommen, nicht verletzt werden, sich nicht verlieben. Also legt sie der verschickten Jacke einen Zettel bei, auf dem steht: arigatô gozaimasu und nicht viel mehr. Er versteht es sofort richtig, nämlich dass die Stilebene nicht stimmt, er hätte etwas Netteres, weniger Formelles erwartet (sie hätte ihm die Jacke auch persönlich geben können), fragt sich, warum sie so auf Distanz geht, ist verärgert (meine ich aus der Erinnerung). Das heißt, die normale Form "arigatô gozaimasu" ist hier absichtlich zu höflich gewählt und wird auch so verstanden, als Mittel zur Distanz, inklusive anderer fehlender netter Worte. Das ist aber eben nicht immer so, sondern entsteht hier eher bewusst durch den Bruch der Stilebenen, es wird bewusst "knapp", "kalt" und förmlich kommuniziert.

Gute Beispiele gibt es dafür übrigens in Büchern von Senko Maynard, die auch bei tofugu in den Links bei der Literatur genannt wurde. Wenn du kannst, schau mal in das Buch "Expressive Japanese" rein.
25.10.19 12:08
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
cat


Beiträge: 1.384
Beitrag #15
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Danke für die weiteren Erklärungen!

Dieser Artikel war eine Art Augenöffner für mich. Ich versuche jetzt, mal gezielt darauf zu achten.
26.10.19 18:46
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Ehemaliges_Mitglied
Gast

 
Beitrag #16
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Liebe Cat,

mir ist zu dem Thema noch eingefallen: Es hilft, wenn man sich früh beim Lernen darüber klar wird, dass grammatische Kategorien nicht immer unbedingt so arbeiten, wie sie benannt sind. Das ist ein Problem von Bezeichnungen an sich und wie diese gewachsen oder entstanden sind. Im Deutschen gibt es zum Beispiel das Futur mit „werden“, das normalerweise als Futur bezeichnet wird. Aber denk bitte selber einmal darüber nach, wann du das Futur benutzt: „Du wirst mich gleich kennenlernen!“ oder „Du wirst gleich was erleben!“ sind in der Regel zwar in die Zukunft gerichtet, die Form dient aber eigentlich der Drohung. „Ab Neujahr werde ich nicht mehr rauchen!“ ist auch in die Zukunft gerichtet, bildet aber normalerweise einen festen (und dann beim Neujahr nicht mehr ganz so festen) Vorsatz. Ich sage hingegen so gut wie nie „Was wirst du am Wochenende machen?“, obwohl es ein ganz normaler zukunftsbezogener Satz ist. Dafür benutzt man im Deutschen das grammatische Präsens und drückt trotzdem ein Futur aus: Was machst du am Wochenende?

Im Japanischen fällt mir da zum Beispiel auch die Vergangenheitsform „kakokei“ ein. Die heißt zwar Vergangenheitsform, weil man sie ja irgendwie bezeichnen muss. Aber wenn man beispielsweise etwas gesucht hat und dann plötzlich findet, sagt man trotzdem „Ah, atta, atta!“ (Hier war es. Aber auch: Da ist es ja!). Das heißt, die „Vergangenheitsform“ drückt auch diese Plötzlichkeit aus („Bikkuri shita!“ – Haben Sie mich erschreckt. „Ah, ima ii koto o omoitsuita“ – Mir ist gerade was Tolles eingefallen!).

Was auch hilft, ist eine frühe Beschäftigung mit Pragmatik neben Grammatik. Pragmatik ist wohl am ehesten so was wie Sprachhandeln. „Guten Morgen“ beispielsweise ist grammatisch eine Verkürzung von „Ich wünsche dir/Ihnen einen guten Morgen“. Deshalb steht es auch im Akkusativ. Pragmatisch ist es aber vor allem eine Form der Begrüßung. Das erklärt, warum es völlig normal ist (zumindest an meinem Arbeitsplatz in Hamburg), nachmittags um drei noch „Morgen!“ durchs Büro zu rufen, wenn man sich zum ersten Mal begegnet (Diese Dinge funktionieren übrigens normalerweise über die Sprachen hinweg, auch „ohayô“ kann man am Nachmittag sagen, aus denselben pragmatischen Gründen, auch wenn es von der Wortbedeutung her „früh ist es“ oder dergleichen meint).
Und: Wenn dann „Guten Tag“ die normale Form ist, dann ergeben sich für die nicht verkürzten Varianten übrigens wieder Zusatzbedeutungen, weil man die Gesprächsmaxime durchbricht, mehr zu sagen, als normalerweise in einem Gespräch gesagt wird. „Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!“ kenne ich vor allem aus zwei Fällen: Ich möchte in einer geschäftlichen Situation einigermaßen höflich auftreten oder aber, ich möchte den Kontakt mit jemandem sofort abbrechen.

Man muss das übrigens nicht unbedingt „Pragmatik“ nennen. Es hilft, einfach in einer Unterscheidung zwischen „Was jemand sagt“ und „Was jemand damit meint“ zu denken und normale Interpretation zu machen, so wie man das im Schulunterricht für alle anderen Sprachen wie Englisch und Deutsch gelernt hat.
29.10.19 13:47
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Yano


Beiträge: 2.920
Beitrag #17
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Das ist ja noch bissi anders.
"Guten Morgen!" kann man noch bis gegen Mittag sagen, ab dann wird es ironisch im Sinne von "du Langschläfer!"
Aber "Guten Morgen" geht ohne soziale Schranke. Ich kann "Guten Morgen" sagen, und dem Bettler eine Münze hinschmeißen, und zum Oberpräsidenten kann ich auch sagen "Guten Morgen, Herr Oberpräsident".
Andere Grußformeln sind aber sozial beschränkt. Das ist fein ziseliert und in Japan wahrlich nicht viel anders.
29.10.19 16:54
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Ehemaliges_Mitglied
Gast

 
Beitrag #18
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Lieber Yano,

du hast mich eventuell falsch verstanden oder ich mich nicht richtig ausgedrückt.

Was ich meinte, war:

Wenn sich Formen pragmatisch weiterentwickeln (= Pragmatikalisierung), beispielsweise in die Richtung einer reinen Begrüßungsformel, dann geht damit oft einher, dass sie semantischen Gehalt verlieren. "Moin" im Norddeutschen ist im Büro als Begrüßung völlig normal und nicht ironisch und fast unabhängig von der Tageszeit verwendbar. Deshalb hat es den semantischen Gehalt (Morgen) nicht mehr. Drei Uhr nachmittags und fünf Uhr nachmittags sind völlig normal hier im Büro.
Unter Studenten auf dem Campus in Japan ist das vergleichbar mit ohayô, was ebenfalls relativ unabhängig von der Tageszeit auch nachmittags noch okay ist.
Normalerweise wird der Wandel von phonetischer Änderung begleitet: „Guten“ fällt weg, "Morgen" verschleift, "ohayô" verliert das "gozaimasu" und oft auch die Länge (ohayo). Ob die Formen abends noch akzeptabel sind, weiß ich nicht. Gern hinhören (nicht Japaner fragen – hinhören, ob sie es benutzen!)
Bei sayonara ist es das gleiche. Oder bei suimasen. Oder bei ’tschuldigung.

Was ich nicht sagen wollte, ist: Die beiden Formen werden gleich verwendet. Das wäre Unsinn. Es gibt wohl kaum eine Form in einer Sprache, die wirklich identisch mit einer anderen wäre. Das Prinzip Pragmatikalisierung ist das gleiche in beiden Sprachen. Darum ging es mir.
29.10.19 17:22
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
cat


Beiträge: 1.384
Beitrag #19
RE: Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Bei uns heißt es ab spätestens 11:00 "Mahlzeit" grins

Eine Bekannte hat mir mal erzählt, dass sie Mails an Leute, wo sie nicht sicher war über die benötigte Formalität, immer in der Früh schrieb - da kann man nämlich einfach mit "Guten Morgen" beginnen und liegt damit sicher richtig.
29.10.19 21:18
Alle Beiträge dieses Benutzers finden Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Unterschiede zwischen だ und です bei Tae Kim
Antwort schreiben 


Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
Unterschiede von ように ために Terveo 1 1.389 08.07.16 07:24
Letzter Beitrag: Yupp
Was ist der Unterschied zwischen transitiven und intransitiven Verben? japnet 35 14.633 23.11.15 01:58
Letzter Beitrag: yamaneko
を zwischen mehrere と Narutoforever 9 6.356 25.10.12 11:31
Letzter Beitrag: MToth
Unterschied zwischen にひきかえ und にたいして Andy D. 0 1.922 24.04.11 14:30
Letzter Beitrag: Andy D.
Unterschied zwischen ~を問わない ~は問わない ~を問わず LuV 4 4.160 04.06.08 09:49
Letzter Beitrag: yakka