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Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
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Beitrag #21
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
In einem der letzten postings hatte ich erwähnt, das das Iroha in Edo von der
Feuerwehr zur Bezeichnung der Feuerwehrbezirke, bzw. genauer der einzelnen
Brandwehrverbände (町火消組合) benutzt wurde.

[Bild: time02.jpg]

Die zunächst 47, später 48 einzelnen Gruppen dieser, unabhängig vom baku·fu
seit 1718 von den Bürgern selbst organisierten Brandwehren, wurden
daher auch iroha-kumi, いろは組, bzw. die いろは四十八組 genannt.

Interessant finde ich, das 4 der 48 Silben des Iroha (+ ん) aus Gründen negativer
phonetischer Assoziationen dabei ersetzt wurden und zwar:

「へ」->「十」 "10"

「ら」->「百」 "100"

「ひ」->「千」 "1000"

「ん」->「本」 "Quelle"


Im Prinzip ist das vergleichbar damit, wie (früher) oft für 四 wegen 死 (shi, し, Tod)
lieber よん als し und für 七 wegen 質 (しち, Pfand, und 質屋, しちや -> Pfandhaus)
lieber なな als しち gesagt wurde.

Warum nun wurden へ・ら・ひ・ん ersetzt? , und wohl auch natürlich
wegen des phonetisch gleichlautenden 火 (= Feuer, Flamme, Brand).

ら・ん wurde dagegen wegen des gleichlautenden 乱 = 亂 (らん) Unruhe,
Unordnung, Aufstand, Bürgerkrieg
ersetzt, Bedingungen, durch die ja
leicht Brände ausgelöst oder gelegt wurde.


Denn Hinweis auf らん verdanke ich shinobi; selbst war ich da zunächst ratlos.
Thx dafür!
Ebenso Dank an edokko, der das Thema überhaupt noch mal ansprach.


Beim Brandeinsatz führten die Gruppen ihrer Kennzeichen auf Standarte, den sog.
matoi (纏):

[Reproduktionen der 16 Standarten von Fukagawa 深川:]
[Bild: IMG_7623_3.jpg]

mit sich, die ebenso wie auch bei Zeremonien, durch die Straßen getragen wurden.

Edo-zeitliche Darstellung:
[Bild: edohi01.jpg][Bild: edohi02.jpg][Bild: edohi03.jpg]

Btw: Bestand die wichtigste Methode der Brandbekämpung darin, die benachbarten,
noch nicht in Brand geratenen Häuser abzureißen, um ein Übergreifen auf die
ganze Stadt zu verhindern... Alles war ja aus Holz gebaut.


Edit: Bild gelöscht, das nicht mehr im Internet steht.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.04.06 15:39 von adv.)
01.03.06 15:30
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Beitrag #22
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Bei der großen Popularität des Iroha blieb es nicht aus, darin im Laufe der Zeit
immer wieder mal "verborgene" Geheimnisse zu vermuten und schließlich auch zu
"entdecken".

Die bekannteste dieser "Interpretationen" kam in der Mitte der Edo-Zeit (江戸時代,
1603-1868) auf, als man im Iroha neben dem bekannten buddhistischen Hintergrund
einen versteckten, tiefen und durchaus "Staats-tragenden" Sinn zu entdecken meinte:

In traditionelle Schreibweise von rechts nach links und von oben nach unten in Zeilen
zu 7 Zeichen angeordnet,


ゑ あ や ら よ ち い
ひ さ ま む た り ろ
も き け う れ ぬ は
せ ゆ ふ ゐ そ る に
す め こ の つ を ほ
__み え お ね わ へ
__..し て く な か と


ergeben die jeweils letzten Silben jeder dieser Zeile von
rechts nach links:

とかなくてしす


was dann als

咎無くて死す = "Ohne Fehler (bzw. Sünden) sterben"


gelesen wurde.

Gemeint war damit ein Leben unter Einhaltung aller religiöser, moralischer und
gesellschaftlicher Regeln, was insbesondere für den Stand der Samurai ein Leben
nach dem Ehrencodex des bushidō (武士道) bedeutete.

Dieser "Weg des Kriegers" forderte neben der absoluter Treue des Samurai gegenüber
seines Daimyo (大名) auch seine Bereitschaft diesen und die Werte des Bushido (wie
Ehrlichkeit, Mut, Aufrichtigkeit und Pflichtbewußtsein) jederzeit mit seinem Leben zu
verteidigen.

[Bild: bushido.jpg]

Als Inbegriff eines Lebens im Einklang mit dem Bushido und zugleich auch als Bespiel
geschicktem, militärischen Verhaltens erschien vielen 1702 die Handlungsweise der
Samurai des Daimyo von Akou(赤穂) während des sogenannten "Akō-Vorfalls"
(akō jiken, 赤穂事件)
, der vielen im Westen auch heute noch als "Die Geschichte
der 47 Ronin
" bekannt ist und in dessen literatischer Aufarbeitung in Kabuki- und
Bunraku-Stücken die og. Iroha-Interpretation 1748 erstmal formuliert wird.

Zum Verständnis ein kurzer Abriss der Ereignisse rund um den Akō-Vorfalls, der auch
mehrfach verfilmt wurde. Hier ein Bild aus Kenji Mizoguchis Verfilmung von 1948:

[Bild: film.gif]

1701 hatte der Daimyo(大名) von Akou(赤穂), Asano Naganori 浅野長矩 sich von Kira,
einem Zeremonienmeister des Bafuku durch schwere Beleidigungen zum Ziehen
seines Schwerte provozieren lassen. Obwohl er Kira nicht verletzte, wurde er wegen
der Auflehnung ggü. einem Höhergestellten vom Bafuku zum Tode durch Seppuku
verurteilt worden.
Seine nun herrenlosen Samurai (浪士,rô·shi, oft auch 浪人, rô·nin) genannt,
schworen die Ehre ihres Herrn zu rächen; um Kira in Sicherheit zu wiegen
führten sie ein scheinbar unehrenhaftes Leben als verwahrloste Trunkenbolde.
Tatsächlich aber stürmten sie, nach akribischen Vorbereitungen am 14.12.1702,
dem Tag der Jahresschlussteezeremonie, den Palast Kiras.

[Bild: samurai.gif]

Sie töteten ihn schließlich und spießten seinen abgeschlagenen Kopf am Grab Asanos
vor dem Sengaku-ji Tempel auf.

Das tokugawa·bakufu (川幕府) lobte in der Folge die Treue der 47 rô·shi ganz
ausdrücklich; trotzdem aber befand sich der Shogun in einem Dilemma, da private
Rachefeldzüge aus Gründen der Staatsraison ausdrücklich verboten waren.
Nach 47-tägiger Beratung wurde den Samurai zwar schließlich befohlen Seppuku zu
begehen, im Gegenzug dazu galten sie dadurch nun nicht mehr als Verbrecher,
sondern als ehrenhafte gishi(義士) das heißt folgsamer Krieger und gerechte
Männer, deren Taten vom bafuku schließlich landesweit als Beispiel vorbildhaften
Handelns verbreitet wurden.

46 der 47 rô·shi folgten so ihrem Herrn, an dessen Grab vor dem Sengaku-ji Tempel,
in den Tod; nur Terasaka Kichiemon(寺坂 吉右衛門), der gleich nach dem Überfall
abgereist war, um Asanos Witwe zu benachrichtigen, wurde nicht weiter verfolgt und
blieb so verschont.

In den folgenden Jahren entstand eine ganze Reihe von Kabuki- und Bunraku-
Stücken, die die Geschichte der 47 Ronin literarisch aufarbeiteten.
Das erste dieser sog. chûshingura (忠臣蔵) - Stücke schrieb schon 1706
der populäre Chikamatsu Monzaemon (近松門左衛門; 1653–1724).
Der Name chûshingura leitet sich dabei folgendermaßen ab: Als "chû·shin" werden
"treue Vasallen" bezeichnet und "gura" kommt vom "kura" in Kuranosuke, dem
Anführer der 47 ronin.
Da es in der Edo-Zeit verboten war gegenwärtige Begebenheiten auf
der Bühne aufzuführen, wurde der Handlungsort verlegt und die Handlung ein paar
Hundert Jahre in die Vergangenheit zurückverlegt....

Das bedeutenste chûshingura-Stück, kana·dehon chûshingura 仮名手本忠臣蔵
von Takeda Izumo II (竹田出雲), Miyoshi Shoraku und Namiki Sosuke wurde
schließlich 1748 in Osaka uraufgeführt.

Unter einem kana·dehon versteht man üblicherweise ein Übungsbuch für Hiragana,
im übertragenen Sinne ist dabei jedoch auch das Iroha-Gedicht gemeint.


Im kana·dehon chûshingura werden die 47 ronin symbolhaft den 47 Silben
des Gedichtes zugeordnet.

Zugleich erscheint hier erstmals das 咎無くて死す als Kernaussage des Iroha.

Nach Satô Tadao implizieren die beiden Worte kana·dehon und chûshingura die beiden
verschiedenen Aspekte in der Interpretation des Akō-Vorfalls: kana·dehon steht für die
Individualität und den Ehrbegriff der 47 ronin, chûshingura für Loyalität und das
gemeinsame Handeln.


Die chûshingura-Stücke sind auch heute noch überaus populär und werden regelmäßig,
wie zB hier in Kobe, aufgeführt:

[Bild: gishimaturi_018.jpg]
Fast Kultstatus haben auch die regelmäßigen Neujahrs-Ausstrahlungen im Fernsehen.
Btw. ist die Geschichte der 47 ronin ein beliebtes Motive der Ukiyo-e, der japanischen
Farbholzschnitte.

edit: Die Asano-Geschichte nach den detaillieren Hinweisen von Yamada vom 20. und
29. 07.2007 um einige Ungenauigkeiten berichtigt (Tag des Anschlags, Überleben des 寺坂 吉右衛門).
edit2: Dank nia 06.10.2015 Jahre später Formationsfehler beseitigt. ;-)
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06.10.15 22:43 von adv.)
21.04.06 16:39
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Beitrag #23
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Sah gerade, das es im letzten posting mit der "traditionellen Schreibweise" nicht
"ganz" geklappt hatte und hab das nun korrigiert -- "mit weißen = hoffentlich
unsichtbaren Unterstrichen" -- keine Ahnung, ob alle browser damit klarkommen,
sonst sagt Bescheid, dann experimentiere ich noch weiter damit herum.

schönes Wochenende

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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.06 08:13 von adv.)
22.04.06 08:12
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Beitrag #24
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Wie vergänglich alle Dinge sind, merkt immer recht schnell im Internet. ;-)
So sind nun inzwischen verschiedene Bilder auf die ich hier im thread
verlinkt hatte nicht mehr vorhanden. Leider hatte ich mir viele
dieser Bilder noch nicht mal auf meine Festplatte gespeichert.

Im 3. Beitrag dieses threads hatte ich mal ein Bild von einem Segment
aus dem Minamoto-no-Shitago-shu hereingestellt. Der link ging auf die
page des Nezu Institute of Fine Arts (http://www.nezu-muse.or.jp/index.html)
was nun leider nicht nur in Tokyo wegen Renovierung bis 2009 geschlossen hat,
sondern auch weite Teile seiner page offline gestellt hat.

Nun meine Frage und Bitte: Falls sich jemand hier im Forum dieses Bild damals
aus dem thread heruntergeladen haben sollte, wäre ich froh,
davon eine Kopie bekommen zu können.


Gruß

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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.06.06 11:30 von adv.)
12.06.06 11:28
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Beitrag #25
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
.. und es geht doch nichts verloren.. *Dank an AU + freu*

Ausschnitt aus dem Minamoto-no-Shitago-shu, das ich im Zusammenhang
mit dem Ametsuchi No Uta (天地の歌) in einem früheren posting erwähnte:

[Bild: Nezu.JPG]

Copyright: 根津美術館 (Nezu Institute of Fine Arts)

Stelle das Bild erstmal hier hin, weil ich sonst den ganzen alten Beitrag auf Easy-html
umschreiben müßte. Mach ich demnächst mal, dann löse ich dieses posting wieder.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.06.06 10:10 von adv.)
14.06.06 09:55
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Beitrag #26
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Vor einiger Zeit hatte ich hier von der Edo-zeitliche Interpretation des Iroha im
Sinne des Ehrenkodex der Samurai geschrieben. Dieses "咎無くて死す" war jedoch nicht
der einzige Versuch im Iroha ein "verborgenes Geheimnis" zu entdecken.
Später bedienten sich auch religiöse Bewegungen dieses inzwischen "jahrhunderte-
alten und urjapanischen" Stoffes.

So entwickelten sich mit Beginn des 19.ten Jahrhunderts in Japan zahlreiche sogenannte
"Neue Religionen" (Shinkō shūkyō, 新興宗教, しんこうしゅうきょう), bei denen die
japanischen, religiösen Traditionen und Glaubenvorstellungen oft mit Vorstellungen
und Praktiken aus anderen Religionen vermengt wurde.

Diese allg. als Synkretismus bezeichnete Verschmelzung voneinander
vollkommen unabhängiger, religiöser Ideen zu neuen Systemen ist dabei
für Japan allerdings schon lange typisch ein Phänomen des religiösen Lebens:

Spätestens seit der Kamakura-Zeit (13. Jahrhundert), kam es zu einer, auch geistig
beinahe totalen Durchdringung von Buddhismus und Shinto. Die Riten beider
Religionen wurde dabei nicht nur problemlos neben- oder miteinander praktiziert,
sondern die shintoistischen kami von den Buddhisten auch als Manifestationen des
buddhistischen Panthenons betrachtet, wodurch eine Gleichsetzung von
Kami mit den Butsu bzw. Bosatsu (den erleuteten Wesen des Buddhismus) erfolgte.

Neu an einigen der "Neue Religionen" im 19. Jahrhundert war nun,
das der Shintoismus und Buddhismus auch zunehmend durch christliche Elemente
und Elemente weiterer Religionen ergänzt oder gar überlagert wurde.

Interessant sind diesem Zusammenhang zB auch zeitgenössische Romane,
wie die Trilogie "Grüner Baum in Flammen" (燃えあがる緑の木) von Kenzaburoo Ooe
(大江健三郎).

Bei der 1892 von Deguchi Nao (出口ナオ, 1836-1918) und Deguchi Oonisaburou
(出口王仁三郎, 1871-1948) gegründete Oomoto-kyou-Sekte(大本教), entwickelte
sich sogar ein Amalgam aus shintoistischen, buddhistischen, christlichen und
jüdischen
Glaubensgrundsätzen und Meditationspraktiken, in Kombination mit einem
sozialpolitischem Idealismus.

[Bild: onis.jpg]
Deguchi Oonisaburou

Der Name大本教 leitet sich von大本 = wahre Wurzel, ursprüngliche Quelle und
教 = Religion ab und ein Ziel dieser Sekte ist die Vereinigung der Menschheit zu einem
einzigen Idealstaat, in dem dann auch alle Religionen vereint sind.

Die Oomoto-kyou-Sekte erwähne ich hier nun, weil Deguchi Oonisaburou
im Iroha uta einen Träger mystischen Botschaften aus "uralter Vergangenheit"
sah.
Dabei ordnete er die Entstehunges des Gedichts nicht nur - wie viele vor und
nach ihm - fälschlich dem Kuukai (空海) zu ( siehe auch das entsprechende
posting hier im thread), sondern behauptete auch noch, das das dieses Gedicht
Kuukai zusammen mit dem Hiragana-Alphabet von einem Kami eingegeben wurde.

Einer der engsten Gefolgsleute von Deguchi Oonisaburou war interessanterweise,
Ueshiba Morihei (植芝盛平), der Begründer des Aikido.

[Bild: Morihei01.jpg]

Ueshiba Morihei zog 1920 nach dem Tod seines Vaters, eines Oomoto-kyô-Anhängers,
zu Deguchi Oonisaburou nach Ayabe bei Kyoto, wo Deguchi ihn beim Bau und
Unterhalt des Dōjōs unterstützte, aus dem später seine Aikido-Akademie hervorgehen
sollte. Zunächst wurden nur Oomoto-kyou-Anhänger unterrichtet, später
öffnete sich die Schule.

1924 begleitete Ueshiba Morihei Deguchi Oonisaburou auf eine Reise in die von
Unruhen erschütterte Mongolei, wo sie die oben schon erwähnte neue, religiös
ausgerichtete Weltregierung gründen wollten. Von chinesischen Truppen
verhaftet und schon zum Tode verurteilt, wurde ihre Exekution in letzter
Minute von japanischen Diplomaten verhindert und beide konnten wieder nach
Japan zurückkehren.

...andernfalls würde wohl niemand auf dieser Welt heute Aikido kennen,
geschweige denn praktizieren...

[Bild: ueshiba.jpg]
Ueshiba Morihei in seinem Dojo


Doch zurück zu den Pangrammen und zum Iroha, darin las Deguchi Oonisaburou:

ゑ あ や ら よ ち い
ひ さ ま む た り ろ
も き け う れ ぬ は
せ ゆ ふ ゐ そ る に
す め こ の つ を ほ
__み え お ね わ へ
__..し て く な か と


Neben dem schon bekannten Satz aus den letzen Silben jeder Zeile:

とかなくてしす

den er mit abweichend zur Edo-zeitlichen bushidō-Interpretation [咎無くて死す =
"Ohne Fehler (bzw. Sünden) sterben"] als:

"(Er) starb ohne Sünde"

interpretierte, las er die ersten Silben jeder Zeile von hinten nach vorne:

いちよらやあゑ

man hörte und staune "phonetisch auf hebräisch"! als:

"Als Brandopfer sandte Gott (ihn)" .

Diese Vermischung von japanisch und hebräisch stellte dabei für die Oomoto-kyou-
Anhänger gar kein Problem dar, da die Götter aller Regionen und Religionen für sie
im Kern überall dieselben sind und nur jeweils andere Namen tragen.
Japan und der Nahen Osten wurden dabei als Kernländer der Götter
betrachtet...

Der Gott der Juden, Yahweh, war dabei für Deguchi Oonisaburou identisch
mit der japanischen Erdgottheit kuni-toko-tachi-no-mikoto 国常立尊
[くにとこたちのみこと], die nach shintoistischem Glauben, aus dem noch
ungeformten Chaos die Erde schuf und schon im kojiki (古事記), den "Aufzeichnung
alter Begebenheiten", von 712 beschrieben wird.

国常立尊 wurde, bis ins Japanische Mittelalter hinein, als erste der sieben Kami-
Generationen formlos und ohne jedes Attribut gedacht, später aber auch
anthropomorph dargestellt:

[Bild: kamigami2.jpg]

Als Schusswort sei noch vermerkt, das ô·moto-kyô noch heute aktiv ist und
Deguchi Oonisaburou von seinen Anhängern als Boddhisattva betrachtet wird...

Edit: RS
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07.10.15 08:39 von adv.)
08.08.06 22:02
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Kira


Beiträge: 2
Beitrag #27
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
@adv:
Im eurem Forum lese ich schon länger mit und habe ab und zu auch anonym geschrieben, was anscheinend nun nicht mehr fuktioniert kratz dann eben mit Registrierung hoho Also erstmal Danke für vielen Information. Was mir bisher noch keiner so richtig erklären konnte: Warum passen Shintoismus und Buddhismus in Japan so gut zusammen? Die Weltbilder sind doch sehr unterschiedlich, ich sehe wenig gemeinsames, haben sich die Anhänger nie bekämpft, nie konkurriert?
Kira
hoho
09.08.06 07:19
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Beiträge: 1.037
Beitrag #28
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Hallo, welcome!

Na ja, es is nun nicht so, daß der Buddhismus von allen in Japan sofort mit offenen
Armen empfangen wurde... Anfangs gab es teilweise heftige Widerstände...
Zum Durchbruch gelangte der Buddhismus erst in der Asuka-Zeit, als Shoutoku Taishi
sich 587 in einer Schlacht gegen die Bewahrer des nationalen Shino durchsetzte.
Shoutoku Taishi gehörte der Familie der Soga an, die damals großen Einfluß am Hofe
hatten.

594 wurde der Buddhismus dann zur Staatsreligion erklärt -Grund dafür war vor allem,
das sich das Herrscherhaus vom Buddhismus mächtige Rituale und magische Handlungen
zu Machterhalt und Kriegsglück versprach. Insofern handelten sie damit rein prakmatisch.
Anfangs war der Buddhismus damit auch nicht Volksreligion - und seine Schriften wurden
bewußt nicht aus dem Chinesischen übersetzt...

Einen Abriß dieser ganzen nun folgende Geschichte kann und will ich hier nicht bringen,
dafür gibt es für den, den es interessiert, eine schier unübersehbare Literatur zu...

Kurz gesagt wurde der Buddhismus erst allmählich in breiteren Schichten populär und
zwischen Shinto und Buddhismus gab es nach und nach auch theologisch eine Ännäherung.
Eine gewisse Bereitschaft der Japaner auch Mehrdeutigkeiten zuzulassen hat das sicher
befördert.

In der Kamakura-Zeit kann man schließlich fast von einer einzigen, mehr oder
weniger synkretistischen Religion sprechen, da inzwischen auch das theoretische
Fundament dazu geschaffen war.. Dazu kann ich im nächsten Zeitloch, das sich auftun
mag, noch kurz was schreiben..

Gruß

adv

Edit: RS
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09.08.06 16:30 von adv.)
09.08.06 12:51
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Beiträge: 1.037
Beitrag #29
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Wie zugesagt, noch ein paar Worte zum Zusammenschmelzens
von Shintoismus und Buddhismus
:

Die theologischen Voraussetzungen wurden dabei von seitens des Buddhismus
schon Ende des 8. Jahrhunderts durch Dengyou Daishi, 傳教大師, dem
Begründers des Tendai-Buddhismus (天台宗 Tendai-shuu) und Kuukai
(postum Koubou Daishi, 弘法大師), dem Begründers des Shingon-Buddhismus
(Shingon-shuu, 真言宗) geschaffen:

Die Shinto-Gottheiten (kami, 神) wurden dabei als Avatare, japanisch Gongen
(権現), also zeitweilige Erscheinungen der jeweiligen Buddhas und Bodhisattvas
auf Erden betrachtet.

Im Grunde genommen war das die Erweiterung der schon vorher im Buddhismus
verbreiteten Vorstellung, das die Buddhas und Bodhisattvas, aus Barmherzigkeit
vorrübergehend auf der Erde Gestalt annehmen, um die Menschen zu retten.
Bezeichnet wird dies als honjisui·jaku (本地垂迹); mit honji (本地), ist dabei
der "Originalkörper" der Bodhisattvas gemeint und mit suijaku (垂迹)
ihre zeitweilige Manifestation auf der Erde.

Um ein prominentes Beispiel zu nennen, von Göttern, die einem in Japan in
den Tempeln und Schreinen auf Schritt und Tritt begegnen:

Amaterasu oomikami (天照大神), die wichtigste weibliche Gottheit
des Shintoismus und Ahnmutter des japanischen Kaiserhauses wird
als Avatar ( = Gongen) des Buddhas der Weisheit Dainichi·nyorai,
大日如来, betrachtet.

[Bild: Amaterasu.JPG]
Amaterasu

Während Amaterasu im Inneren Schrein von Ise verehrt wird, ist Dainichi·nyorai,
auch der "Sonnengleiche" genannt, die zentralen Gottheit des esoterischen Buddhismus
und Zentrum deren wichtigster Mandalas.

[Bild: 681.jpg]
Dainichi nyorai

Das Prinzip der Gongen findet sich damit bis in die höchsten Ebenen der beiden religiösen Systeme und Weltbilder.

Edit: Bild Dainichi nyorai dazugestellt.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.08.06 16:28 von adv.)
11.08.06 11:51
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Beiträge: 1.037
Beitrag #30
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
.. nach den vielen Details zur Religion in Japan, quasi zur Bodenhaftung, noch ein
Nachtrag zu einer weiteren, ungewöhnlichen, aber profanen Verwendungen des Iroha-
Alphabets, nämlich der "Kennzeichnung" von Straßenkurven, wie sie edokko
auf der Straße von Nikko hinauf zum Kegon no taki entdeckte.

Die einzelnen Kurven sind vollständig in der Reihenfolge der 47 Hiragana des Iroha
"durchnummeriert".

Für die Fotos, die ich für den thread nur etwas verkleinert habe, danke ich edokko,
der sie mir vor einiger Zeit zugeschickt hatte sehr.



Hier die Straßenführung...

[Bild: I1.gif]

Man beachte die "Romantische Schwesterstraße" grins

..und als Beispiel eines der Kurvenschilder:

[Bild: I2.gif]
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.08.06 16:30 von adv.)
11.08.06 12:33
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Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
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