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Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
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Beitrag #31
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
OT

@Ma-kun: Die beiden Bilder im letzten posting waren wieder so ein Beispiel
für images, die von der Rapidforums-SW als "not allowed" nicht angenommen
wurden.
Das posting konnte ich dann letztendlich nur zustande kriegen, indem ich es erst
als "Nur Text" abschickte und dann in 2 Edit-Schritten die Bilder einfügte, die
dabei dann auf einmal doch akzeptiert wurden.

kratz

nach Umzug Textumbruch probiert
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.03.09 14:02 von adv.)
11.08.06 13:07
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Kira


Beiträge: 2
Beitrag #32
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
@adv: Domo arigato! grins Bei den vielen Kriegen und Schlachten in der jap. Geschichte hätt's mich auch gewundert, wenn die Anhänger der verschiedenen Religionen sich nicht auch bekriegt hätten. So viel ich weiß, hat irgendein Tenno auch mal tausende von Tempel niederbrennen lassen. augenrollen
Kennst Du ein Buch, möglichst in deutsch, in dem die verschiedenen japanischen Götter beschrieben werden?
13.08.06 14:18
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Beitrag #33
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Kira: Die Zahl der Kamis geht so ziemlich gegen Unendlich..

Deutsche Bücher, die mehr als die wichtigten 3,4 davon beschreiben, da bin ich überfragt..
Zum buddh. Pantheon gibt es allerdings auf deutsch einen sehr umfassenden Überblick:
Louis Frederic: Buddhismus - Götter, Bilder und Skulpturen -
Das ist eine Übersetzung auf dem Französischen, erschienen bei Flammarion, 2003.
Hier werden zumindestens die Konkordanzen der chinesischen und
japanischen Namen und der zugehörigen Sanskrit-Namen dargestellt, ohne
die das alles nix bringt.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 13.08.06 18:00 von adv.)
13.08.06 15:47
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Beitrag #34
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Letzten Sommer hatte ich ein wenig über die Regeln, shikimoku (式目) bei
den ren-ga-kai (連歌会 ) geschrieben und dann die ersten Zeilen eines Hyakuin-
renga aus der Muromachi-Zeit (室町時代, 1333 - 1568) übersetzt.
Dabei handelte es sich um das 宝徳年間百韻 ("Hundert Reime aus der Hôtoku-Ära")
aus dem Jahre 1451, bei dem die Zeilenanfänge fortlaufend dem Iroha-Schema
folgten.

Die Form des Renga findet sich, wie damals erwähnt, erstmals schon zum Ende
der Nara-Zeit 759 im Manyoshu (万葉集).
Eine richtige Blüte erlebte die Renga-Kunst jedoch erst ab der Kamakura-Zeit als
auch in den Kreisen der Samurai, das gemeinsame, gesellige Dichten, za no
bungaku
(座の文学 ) immer beliebter wurde.

In den höfischen Kreisen war dagegen die Renga-Dichtung bis ins frühe japanische
Mittelalter hinein, als nicht so seriös wie die klassische Uta-Dichtung angesehen.
Hier dominierten im weiterhin die uta·awase (歌合; 歌合わせ), die Dichterwettbewerbe,
bei denen es in der Regel galt, das beste Gedicht zu einem bestimmten, jeweils
vorgegebenen Thema (Dai, 題) zu dichten.

In der Waka-Dichtung hatten sich hierbei immer komplexere Regelwerke entwickelt,
die zu beherrschen, unter anderem, oft auch eine außerordentliche Belesenheit
erforderte.
Erst in der frühen Muromachi-Zeit erreichte die Renga-Dichtung durch hervorragende
Dichter wie zB Nijo Yoshimoto (二條良基, 1320–1388) und Tonna (頓阿, 1289 - 1372)
schließlich auch am Hof gleichrangige Anerkennung.

Genau auf Tonna will ich hier nun einmal genauer eingehen, da von ihm ein
iroha·uta (伊呂波歌) überkommen ist, das ich in mehrfacher Hinsicht
sehr interessant fand.

[Bild: kakinomotohitomarozoudentonasaku.JPG]
Tonna ( 頓阿弥)

Bevor ich auf dieses iroha·uta zu sprechen komme, zunächst jedoch erst einmal ein
kurzer Exkurs zum Leben und Wirken Tonna's:

Tonna, auch Ton'a gesprochen, bzw. Toami ( 頓阿弥) genannt, ist sein Mönchsname.
Geboren wurde er 1289 als Nikaidô Sadamune in der angesehenen Adelsfamilie
Nikaido (二階堂) und wie viele jüngerer Söhne, für die keine Aussicht bestand,
jemals eine bedeutende Stellung in der Familienhierarchie zu erlangen, ging er mit
20 Jahren ins Kloster; zunächst studierte er im Enryakuji auf dem Berg Hiei, später
auf dem Koya-san und in verschiedenen anderen Tempeln in Kyoto und
Umgebung die Kunst der Dichtung. Dabei beeindruckte er schon bald seine Lehrer
und wurde immer öfter gern gesehener, zunehmend bewunderte Teilnehmer
der regelmäßig im höfischen Rahmen stattfindenden uta·awase.

1364 wurde ihm als Krönung seiner Dichterlaufbahn schließlich auf kaiserlichem
Befehl, nach dem Tod des vorherigen, leitenden Kompilators, die Vollendung der 19.
Kaiserlichen Gedichtanthologie Shinshûishû (Shinshûiwakashû)
新拾遺和歌集 übertragen. Niemals vorher war jemand ohne Fürstenrang mit einer
solchen Aufgabe betraut worden! In die Anthologie wurden dabei gleich 9 seiner
eigenen Gedichte aufgenommen. In der 20. Kaiserliche Anthologie, die 1383
(nach Tonnas Tod) herausgegeben wurde, finden sich 8 weitere und in der 21.
Kaiserliche Anthologie sogar 19 Gedichte Tonnas.

Zu dieser Zeit zählte Tonna dann schon zu den 4 Dichterkönigen, den
waka·shintennô (和歌四天王) der Nanboku·chô·jidai (南北朝時代, der Zeit der
nördlichen und südlichen Dynastien, 1336- 1392) und wurde über ca. 500 Jahre
bis in die Edo-Zeit hinein immer wieder als höchster Meister der Uta-Dichtkunst
verehrt.
Die weiteren drei Dichterkönige der nördlichen und Südlichen Dynastien waren
Yoshida Kenkô (吉田兼好), der Autor des Tsurezuregusa (徒然草), der
"Betrachtungen aus der Stille"
, sowie Jouben (浄弁) und Keiun (慶運), von denen
sich deutlich weniger Gedichte in den Kaiserlichen Sammlungen finden.

[Bild: o0179029610189492400.jpg]
(吉田兼好)

Eine Technik, die hochangesehen war und die Tonna meisterhaft beherrschte
war die des honkadori (本歌取り), worunter man das geschickte Adaptieren
von Form, Lautmelodie und/oder Inhalt berühmter Gedichte, vorzugsweise aus den
vorangegangenen kaiserlichen Gedichtsammlungen verstand.

Hierzu ein Beispiel:

Bei einem uta·awase dichtete Tonna, auf das vorgegebene dai "Kirschblüte" hin,
folgendes uta:
(Quelle: http://tois1.nichibun.ac.jp/database/htm..._i151.html)

[Bild: 4333_disp.jpg]


あふさかの せきのせきもり いとまあれや
ひとをととむる はなにまかせて


mit Kanji zur besseren Lesbarkeit versehen:

逢坂の 関の関守 暇あれや
人を止どむる 花にまかせて。


Die Wächter der Grenzschranke "Treffsteige" können eine Pause machen -
und ihre Aufgabe, die Menschen anzuhalten, den Blüten überlassen.


あふさか ist dabei wieder die, schon einmal hier im thread, in Zusammenhang mit einem
Gedicht von Kanke aus den Hyakunin·isshu (百人一首), den „Hundert Gedichte
von hundert Dichtern“ genannte "Treffsteige", ein lange Zeit wichtiger Grenzkontrollpunkt
und Opferplatz an der Grenze zwischen dem heutigen Kyoto-fu und Shiga-ken.

Spannend ist nun, das Tonna nach dem Prinzip des honkadori hier auf ein Gedicht
von Shoumyou (勝命法師) aus der berühmten 8. kaiserlichen Gedichtsammlung
Shinkokinshû (Shinkokin wakashû, 新古今和歌集, 1216), kompiliert von Fujiwara no Teika
und anderen, zurückgriff.
(Quelle: http://home.cilas.net/~jikan314/shinkoki...tu-a.htm):

[Bild: kome03_2.jpg][Bild: kome03_2.jpg]

あめふれば おだのますらお いとまあれや
なわしろみずを そらにまかせて


wieder mit Kanji zur besseren Lesbarkeit versehen:

雨降れば 小田の丈夫 暇あれや
苗代水を 空に任せて


Wenn Regenwetter herrscht können die Männer in den Feldern eine Pause machen -
und ihre Aufgabe, die Reisbeete zu wässern dem Himmel überlassen.


Bei den 苗代 nawashiro handelt es sich um die Reisbeete für die Anzucht von Setzlingen
und 苗代水 meint dann die Bewässerung derselben.

Zum Vergleich noch einmal beide Gedichte untereinander, um das Prinzip der Allusion
zu verdeutlichen:

めふれば おだ ますらお いとまあれや なわしろみずを そら にまかせて
ふさかの せき せきもり いとまあれや ひとをととむる はな にまかせて

Tonna nutzt sowohl die syntaktische Struktur als auch das Grundthema
des Wakas von Shoumyou hier ganz geschickt und füllt sie mit neuen Bildern.
Selbst die Sprachmelodie bleibt dabei weitgehend erhalten.
Grundthema beider Waka ist die plötzliche und unerwartete Unterbrechung der
Arbeit (Reis pflanzen/Reisende kontrollieren) durch Ereignisse außerhalb
menschlicher Enflußnahme (Regen/Blütenpracht).

--

Das Iroha-Renga von Tonna dann, damit das posting nicht unübersichtlich wird demnächst.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07.10.15 18:25 von adv.)
26.01.07 13:09
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Beitrag #35
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Nun zu dem eben angekündigten Iroha-Uta, das Tonna auf seinem Weg von Kyoto zum Koya-san geschrieben und in sein Reisetagebuch (Koya nik·ki, 高野日記) aufgenommen hat, als älteste Quelle habe ich bisher das Jahr 1357 gefunden.

[Bild: photo_koyasan01.jpg]
Koya-san

Entnommen habe ich es der umfangreichen "Sammlung Japanischer Reisetagebücher",
日本紀行文集成 (nihon kikô·bun shû·sei), einem Reprint des 1901 (明治三十四年十月)
herausgegebenen Buches vom 日本図書センター aus dem Jahre 1979.

[Bild: Tonna-Anfang.JPG]
aus dem: 日本紀行文集成

Zunächst einmal die ersten 10 dem Iroha-Schema folgenden Waka:

まはとて ほとけのみちを もとめねば
たまたまひとに なるかひもなし

もかひも われらはとらで のりのみち
ただふなぬしを たのみてぞゆく

ちすばに おきてきえなん つゆのみの
いのちをいけの みづからにしる

しへゆく つきひのかげに さそはれて
よはひかたむく としやうれしき

のぼのと あけゆくそらを ながむれば
つきもうれしき にしのやまのは

だてなき ちかひとたれも たのむらん
しるもしらぬも なむあみだぶつ

てもよの ほまれをいとふ みなりせば
ひとのそしりや うれしからまし

かひにて うまるるならば たのむべし
ほとけよりなほ みだのひとこゑ

んじゆをも われたしなみに おもふなる
むかへとらんの ちかひたのみて

るほどは うつつとおもふ よのなかを
さめずはいかが ゆめとしるべき


Zur besseren Lesbarkeit mit Kanji und Diakritika versehen:

い) いまはとて仏の道をもとめねば偶人に成るかひもなし
ろ) 櫓もかひも我等はとらで法の道ただ船主を頼みてぞゆく
は) 蓮葉におきて消なん露の身の命を池の自からに知る
に) 西へ行く月日の影にさそはれて齢傾く年やうれしき
ほ) ほのぼのと明ゆく空をながむれば月もうれしき西の山のは
へ) へだてなき誓とたれも頼むらん知るもしらぬも南無阿弥陀仏
と) とても世の誉をいとふ身なりせば人の謗りや嬉しからまし
ち) 誓にて生るるならば頼むべし仏より猶みだの一声
り) りんじゆをも我たしなみに思ふなる迎へとらんの誓ひたのみて
ぬ) ぬる程は現と思ふ世の中をさめずはいかが夢としるべき

(wahrscheinlich besser zu lesen. als in der Vorlage unten, die ich hier mal mit hereingestellt habe: )

[Bild: Tonna-erste10.JPG]
(die ersten 9 Zeilen aus dem 日本紀行文集成)

Die Übersetzungen dann in den nächsten Tagen...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.11.09 15:49 von adv.)
26.01.07 16:26
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Beiträge: 1.037
Beitrag #36
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
Nun ein Übersetzungsversuch, zumindestens der ersten Zeilen des Iroha-Uta
von Tonna.

Da die posting hier zuletzt ein wenig zu lang geraten sind - grins - setze ich das
jetzt mal mit je einem Posting pro Waka-Übersetzung und Interpretation
hier herein, schon allein, weil so das Redigieren einfacher wird..

1)

まはとて ほとけのみちを もとめねば
たまたまひとに なるかひもなし

ima wa tote / hotoke no michi wo / motomeneba /
tamatama hito ni / naru kahi mo nashi


mit Kanji:

いまはとて 仏の道を 求めねば
偶々人に 成るかひも無し


Tote とて ist eine Ellipse, dh. eine durch Auslassungen verkürzte Satzkonstruktion.
Dem quotativen と folgt in solchen Fällen mmer ein Wort des Sagens, Denkens
oder Meinens, das, wenn der Sinnzusammenhang vorausgesetzt wird, weggelassen
kann.
Häufig ist das ausgelassenen Verb dabei いふ, "sagen", dh. とて ist dann eine Ellipse
aus といひて [= .. sagt (und) ...].
Zunächst hatte ich daher いま = , jetzt, zusammen mit dem folgenden といひて
schlicht mit:

Man sagt, wer jetzt nicht den Weg des Buddhas sucht,
auch dessen zufällige menschliche Existenz ist vergeblich.


übersetzt.

Im Gespräch mit Leuten, die sich besser mit solchen alten Texten auskennen,
kam dann aber der Hinweis, das いま hier nicht einfach für "jetzt" steht, sondern
das いまは, oft eine Verkürzung von いまはかぎり = (今は限り) = "das Ende von
Etwas" oder "jetzt ist das Ende" darstellen, was wiederum im Kontext buddhistischer
Texte, zumal am Satzanfang und im Zusammenhang mit dem Weg des Buddha, 仏の道,
eine Verkürzung von "eines Menschen Lebensende" ist. Als entsprechender
Übersetzungs-Vorschlag kam dann:

Wenn Du den Weg Buddhas nicht mit dem Gedanken suchst,
das dies die letzte Chance in deinem Leben ist,
so ist auch Deine jetzige
(und alle Deine vergangenen),
zufälligen menschlichen Existenzen vergeblich.


Interessant zumal, das solche Verkürzungen und Ellipsen natürlich auch gut
geeignet waren und entsprechend genutzt wurden, das Morenmaß in den
Waka einzuhalten.

Der 仏の道, hotoke no michi, ist der "Weg des Buddha" bzw. der "Weg der
buddhistischen Lehre (Dharma)".
なし, „nicht existieren, nicht vorhanden sein“ entspricht dem modernen
ない (無い), nai, und wird flektiert wie ein Adjektiv, jedoch nicht wie heute zur
Verneinung von Verben benutzt.
"かひ" ist alte Kana-Orthographie (旧仮名遣い) und würde modern "かい"
gesprochen.

Schon und gerade am ersten Waka wird klar, das das Iroha- Uta von Tonna ein
buddhistisches Lehrgedicht ist, stelle es doch schon an den Anfang die
wichtige Kernaussage, das eine der Grundvoraussetzungen des 仏の道 die
Ernsthaftigkeit und Unbedingtheit des Glaubens ist, im Sinne von "nicht später,
jetzt sollst Du...".

Wie sich am nächsten Waka zeigen wird steht Tonna dabei für die Schule des
Amida-Buddhismus, der für die Gläubigen einen durchaus leichteren
Weg als den andere buddhistischen Schulen anbietet.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 31.01.07 14:28 von adv.)
31.01.07 12:42
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Beitrag #37
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
2)

もかひも われらはとらで のりのみち
ただふなぬしを たのみてぞゆく

ro mo kahi mo/ warera wa tora de/ nori no michi
tada funanushi wo/ tanomite zo yuku


櫓も櫂も 我等はとらで 法の道
ただ船主を 頼みてぞゆく


Wir nehmen weder Paddel noch Ruder in die Hand,
sondern verlassen uns auf dem Weg des Dharma nur auf den Schiffkapitän.


我, ware = ich + dem Plurasuffix ...ら (...等) ergibt 我 , ware·ra = wir.
= ON: ほう, kun: nori, ist das Gesetz, die Lehre, hier die buddhistische
Lehre, genannt "Dharma" und 法の道 entsprechend der Dharma-Weg.

Sowohl櫓 als auch 櫂 sind Ruder; 櫂 (Kai) ist der ältere Begriff und steht
für etwas primitivere Ruder, wie sie zB auf Flußschiffen verwendet wurden;
櫓 (Ro) wurde erst während der Nara-Zeit aus China in Japan als technische
Erneuerung eingeführt. Diese櫓 (Ro) waren effektiver als櫂 (Kai) und wurden dann
bald generell für die Seeschifffahrt eingesetzt.

Mit 船主 (ふなぬし), funa·nushi, kann sowohl der Reeder bzw. Schiffseigner
als auch der Steuermann oder Kapitän eines Schiffes bezeichnet werden.
Im modernen Sprachgebrauch ist in der Regel ein Reeder der Schiffseigner
gemeint, hier passt mehr "Kapitän oder Steuermann".
Dahinter steht nun die Anschauung des Amida-Buddhismus das die Erlösung,
sprich das Erreichen des "anderen Ufers", des westlichen Paradieses, genannt
jô·do, 浄土, das "Reine Land", gar nicht aus eigener Kraft,
sondern nur mit Hilfe des Amida-Buddhas möglich ist.

Der Gläubige muss also keine komplexen, esoterischen Riten praktizieren oder
einen mühevollen Meditationsweg gehen, sondern muss sich dazu "nur" in
unbedingtem Glauben an den Amida-Buddha (siehe erstes Waka) wenden.
Dieser Weg des Buddhismus wird deshalb auch igyô·dô , 易行道, der "leichtere
Erlösungsweg" bezeichnet.
Weite Teile dieses Glaubensweges wurden aus der chinesischen "Schule des
Reinen Landes", jìngtuzōng übernommen und in Japan als Jōdo-shū,
浄土宗 etabliert.

Mit dem "Schiffskapitän oder Steuermann" in dem Iroha-Waka ist denn auch
Amida-Buddha selbst gemeint und in anderen Wakas von Tonna wiederholt
sich dieses Bild mit dem Amida-Buddha zB. als Fährmann:

こぎかえる ほどをやまたむ わたしぶね
ふたつもみつも なきみのりかな

Kogikaeru / hodo wo ya matamu / watashibune
futatsu mo mitsu mo / naki minori kana


Am Strand warten wir auf das Fährschiff, das uns hinüber zurückrudert -
Es gibt nicht zwei, nicht drei - sondern nur ein Gesetz Buddhas.


womit gemeint ist:

Am Strand warten wir auf das einzige Schiff,
dessen Fährmann uns über den Fluss zum anderen Ufer,
ins Reine Land zurückrudert -
und wie dieses eine Fährschiff, so gibt es nicht zwei, nicht drei -
sondern nur das eine Gesetz Buddhas.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.11.09 15:51 von adv.)
31.01.07 13:04
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Beiträge: 1.037
Beitrag #38
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
3)

ちすばに おきてきえなん つゆのみの
いのちをいけの みづからにしる

hachisuba ni/ okite kienan/ tsuyu no mi no
inochi wo ike no/ mizu kara zo shiru


蓮葉に 置きて消なん 露の身の
命を池の 自からに知る


Das Wasser des Teiches betrachtend, erkennen wir uns selbst -
das Leben ist wie der Tau, der auf das Lotusblatt fällt und vergeht


Das dritte Waka zeichnet hier ein sehr poetisches Bild von der Vergänglichkeit des
Lebens anhand der Betrachtung des Taus (露) auf dem Lotusblatt (蓮葉).

Das Lotusblatt ist in Asien ein, vor allem in Hinduismus und Buddhismus, häufig
gebrauchtes und vielschichtiges Symbol. Unter anderem steht es als Symbol der
Reinheit, wächst der Lotus doch in schlammigen Seen und erhebt aber seine
Blätter über die Wasseroberfläche und wird so nicht vom Schutzwasser benetzt.
Außerdem perlt Regenwasser oder eben Tau aufgrund der besonderen
Oberflächenstruktur der Blätter schnell ab, wodurch Lotusblüten und
-blätter sich selbst über dem schmutzigsten Tümpel stets in makelloser Reinheit
erheben.

In den Waka findet sich zugleich ein kake·kotoba, 掛け詞, also ein Wortspiel
mit Homonymen:

「..みづから.. = phonetisch: ..みずから..」 spielt mit den gleich klingenden Worten
自から, "selber, selbst", und 水から, "aus dem Wasser":

1) けのみず = das Teichwasser -> (池の)水から知る Wir erkennen (etwas)
vermittels des Teichwassers


2) みづから = das Selbst -> 自ら知る Wir erkennen (etwas) über uns selbst

おきて kann hier wohl mit置きて übertragen werden, wenn das auch nicht explizit
so in der betrachteten Vorlage steht.

置く in Zusammenhang mit露(つゆ) in der Bedeutung "fallender Tau" ist ein sehr literarischer Stil und in den alten Waka sehr populär.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.11.09 15:51 von adv.)
31.01.07 13:16
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Beiträge: 1.037
Beitrag #39
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
4)

しへゆく つきひのかげに さそわれて
よわいかたぶく としはうれしき

nishi e yuku\ tsukihi no kage ni\ sasowarete
yowai katabuku\ toshi wa ureshiki


西へ行く 月日の影に 誘われて
齢傾く 年は嬉しき


Verlockt vom Licht des Mondes und der Sonne,
die (jeden Tag) nach Westen ziehen (und untergehen)
sind auch die zur Neige gehenden Jahre des Alters freudenvoll.



Der Westen steht hier natürlich wieder, wie schon beschrieben, für das
"westlichen Paradies", jô·do, 浄土, das "Reine Land" in das die Gläubigen des
Amida-Buddhismus nach ihrem Tod einzugehen hoffen, weshalb sie die
Jahres des Alters mit dieser Perspektive dann auch durchaus als 嬉しき
betrachten können. ;-)

月日, つきひ, tsuki·hi, meint hier einerseits konkret den Mond und die Sonne,
die immer im Westen untergehend, hier als Symbol für den Weg ins Westliche
Paradies stehen, andererseits hat月日 zugleich im Sinne von "Tage und Monate"
die Doppelbedeutung des Zeitenlaufes (der sich ständig wiederholt).

Auch かたぶく (傾く) kata·bu~ku kann man hier in Doppelbedeutung sehen:

1) bezogen auf月日 im Sinne vom Untergehen der Sonne und des Mond (am Horizont)

und

2) bezogen auf 齢, yowai und 年, toshi im Sinne der "zur Neige gehenden Jahre"
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.01.14 17:41 von adv.)
31.01.07 13:27
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Beitrag #40
RE: Japanische Pangramme von der Heian-Zeit bis heute
5)

のぼのと あけゆくそらを ながむれば
つきもうれしき にしのやまのは

honobono to\ akeyuku sora wo\ nagamureba
tsuki mo ureshiki\ nishi no yama no ha


ほのぼのと 明ゆく空を ながむれば
月もうれしき 西の山のは


(In einer anderen Fassungen findet sich für うれしき, ureshiki
auch こいしき、koishiki;
ich vermag nicht zu beurteilen, welches die ursprüngliche Fassung ist):

ほのぼのと あけゆくそらを ながむれば
つきもうれしき にしのやまのは


Während ich den (langsam) dämmernden Himmel betrachte,
(erblicke) ich über dem Saum der Berge im Westen
auch den geliebten Mond.


Dieses Waka knüpft thematisch unmittelbar an das vorhergehende an:

明け, ake, ist der Tagesanbruch, und 明ゆく空, ake·yuku sora , moderner:
明け行く空 dann der "hell werdende Himmel".
Mit ほのぼの, hono·bono, schwach, matt, beschreibt ほのぼのと明ゆく空 den gerade
zu dämmern beginnenden Himmel.

やまのは, yama no ha, ebenfalls häufig in Gedichten benutzt, meint den
"Saum eines Berges", hier also die Silhouette der Berge im Westen, 西の山のは,
die sich gegen den dämmernden Himmel abzeichnet.

Generell ist der Mond ist eines der populärsten Bilder in der ostasiatischen
Dichtkunst. Insbesondere der Vollmond steht im Buddhismus, ähnlich wie auch der
Kreis, en·sô(円相) für Vollkommenheit, Reinheit und Erleuchtung.

[Bild: L1000140kakemono.jpg]
円相

Durch sein beständiges Zu- und Abnehmen symbolisiert er darüber hinaus
aber auch den "ewigen Kreislauf" und damit zuletzt auch das "Immerwährende".

Im hier besprochenen Gedicht dürfte der Mond, zumal über den Bergen des Westens
leuchtend, für das "Reine Land" stehen.


Bis vor kurzem war übrigens im Ostasiatischen Museums in Berlin, in einer
Sonderausstellung der Weber-Sammlung eine, exakt aus der Zeit Tonnas
stammende eine 1-zeilige Kalligraphie (ichigyou mono, 一行物) von
Sekishitsu Zenkyu (1294-1389) mit folgendem Text zu sehen:

萬里無雲月正中 (= ばんりむうんつきせいちゅう)

10000 Ri wolkenlos und der Mond genau in der Mitte

Das Ri enstspricht etwa der Meile.

Interessanterweise adaptiert Zenkyuu hier die letzte Zeile eines daoistischen
Gedichtes
(寄許煉師) aus der Tang-Zeit (618 - 906) und gibt dem, aus seinem
ursprünglichen Zusammenhang herausgelöste Satz dieses Gedichtes eine
völlig neue, nun buddhistische Bedeutung. Solcher Art Adaptionen sind
allerdings nicht ungewöhnlich.

Zenkyuu hatte zuvor China bereist und war anschließend als Zen-Meister der
Rinzai-Schule in Japan. Aus China mitgebrachte Texte hatte er dabei
offensichtlich auch "Steinbruch" für sein eigenes Werk mitbenutzt.

Leicht in verändert findet sich das Motiv später in fast allen wichtigen
Phrasen-Sammlungen ("capping phrases") der Koan-Praxis:

萬里無雲孤月圓
(= ばんりむうんこげつえん)

oder

萬里雲無く孤月円かなり
(= ばんりくもなくこげつまどかなり)

10000 Meilen ohne Wolken,
der einsame Mond ein perfekter Kreis.


圓 trägt hier im buddhistischen Kontext die Doppelbedeutung "rund"
und "perfekt". (Q: Zengaku daijiten)

edit: 07.10.15 html-code angepaßt
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07.10.15 20:39 von adv.)
31.01.07 13:36
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