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Todesstrafe in Japan
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Bitfresser


Beiträge: 1.702
Beitrag #51
RE: Todesstrafe in Japan
Zitat:
Zitat:Ich kann wenig zur Aufklaerungsrate sagen, da sich das japanische Justizministerium sehr bedeckt haelt zu diesen Angaben. ...

Ich habe weitergesucht, das liegt alles zentral beim Statistikamt und steht im statistischen Jahrbuch. Wie praktisch. Auch wenn hier die Grafiken gleich dabei sind.

Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefaelscht habe. Menschen sind Meister der Selbstinszinierung.

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04.07.04 08:37
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #52
RE: Todesstrafe in Japan
Zitat:Ich kann wenig zur Aufklaerungsrate sagen, da sich das japanische Justizministerium sehr bedeckt haelt zu diesen Angaben.

Das ist falsch. Es gibt auch in Japan statistische Jahrbücher. Mangus weist sehr richtig darauf hin. (PS: Tolle Sache das! Man findet wirklich jeden Sch**ß da drin! Die Bücher sind allerdings SEHR teuer, weswegen auch unsere tolle Uni sich nur alle zwei Jahre eins leisten kann [Eliteuni ick hör Dir trapsen], aber im Netz ist es ja umsonst.)

Zitat:Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefaelscht habe. Menschen sind Meister der Selbstinszinierung.

Naja, naja. Natürlich kann man Statistiken interpretieren, aber sofern sie auf absoluten empirischen Zahlen beruhen - und nicht z. B. auf irgendwie eingeschränkten - wird Dir jeder Statistiker sagen, daß man da nicht viel rumspielen kann. Es sei denn, man erfindet die Zahlen einfach komplett, aber das ist im Falle Japans nun auch auszuschließen. Und außerdem: WEM willst Du denn sonst glauben, wenn nicht den offiziellen Statistiken? Irgendwelchen obskuren Quellen? Natürlich gibt es Dunkelziffern - falls Du darauf hinauswillst -, aber die gibt es in allen anderen Ländern auch. Die Tendenz der Statistik wird davon ganz sicher nicht beeinträchtigt oder gar umgekehrt. Welchen Grund hast Du, an der Korrektheit der offiziellen Zahlen zu zweifeln? (Ist ja immerhin doch ne ziemlich schwere Anschuldigung...)

Japan hat - das ist ein Fakt - die bei weitem höchste Aufklärungsrate weltweit, und zwar vor allem, was Kapitalverbrechen angeht. Die Aufklärungsrate bei Mord und Totschlag liegt regelmäßig bei 95% oder darüber. Allerdings passieren solche Fälle auch verhältnismäßig wenig: pro 100.000 Einwohner passieren in Japan pro Jahr:
1,1 Morde/Totschläge (in den USA z. B. 8,7)
1,3 Vergewaltigungen (USA 38,1)
1,3 Raubfälle (USA 233)
1203,7 Diebstähle (USA 5077,9)

Je weniger "schwer" die Verbrechen sind, umso mehr nimmt die Aufklärungsrate ab (in Japan und in den USA). Das deutet auf einen wichtigen Aspekt hin: Wo wenig passiert, hat die Polizei Zeit und Gelegenheit, dem wenigen intensiv nachzugehen. Wo sie überlastet ist, bleibt so manches unaufgeklärt.

Die Polizei in Japan betreibt ja nicht nur Aufklärung (= Reaktion auf Verbrechen), sondern auch eine wesentlich flächendeckendere und intensivere Prävention. Sie ist überall präsent, steht mit der Bevölkerung in unmittelbarem Kontakt, leistet Informationsarbeit usw. usf. Daß sie sich all das leisten kann, ist auch ein Zeichen dafür, daß die Polizei in Japan mit der eigentlichen Verbrechensaufklärung relativ wenig zu tun hat. In den USA z. B. ist die Polizeiarbeit fast ausschließlich Reaktion. Die kommen, wenn etwas passiert ist. Zu sehr viel mehr reichen bei der hohen Zahl der Verbrechen dort vorne und hinten die Kapazitäten nicht aus. Das ist letztlich natürlich ein Teufelskreis.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.07.04 11:34 von Botchan.)
04.07.04 09:05
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Bitfresser


Beiträge: 1.702
Beitrag #53
RE: Todesstrafe in Japan
Ich galube das ist zu einseitig ausgedrueckt. Ich habe schon mehrmals Berichte im Fernsehen gesehen, in denen auf die Urteilspolitik in Japan eingegangen wurde. In Japan gibt es so gut wie keine Freisprueche. Und in Japan gibt es auch Fehlurteile. Aber in wie weit diese Fehlurteile dann wirklich veroeffentlicht und korrigiert werden ist eine zweifelhaft Mutmassung.

Ich habe mich auch immer sicher gefuehlt in Japan. Selbst Kapitalverbrechen wie Einbruch oder Diebstahl halten sich stark in Grenzen. Deshalb mag ich es ja auch so in Japan zu wohnen.

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04.07.04 09:12
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #54
RE: Todesstrafe in Japan
Zitat:Selbst Kapitalverbrechen wie Einbruch oder Diebstahl halten sich stark in Grenzen

*Klugscheißmodus an*
"Kapitalverbrechen" sind schwere Verbrechen. Das kommt von lat. "caput" (Kopf) und meinte ursprünglich die, auf die der Kopf (also die Todesstrafe) steht. Mit Kapital im Sinne von Vermögen hat das nix zu tun.
*Klugscheißmodus aus*


Zitat:In Japan gibt es so gut wie keine Freisprueche. Und in Japan gibt es auch Fehlurteile.

Das ist richtig. Aber hat man in den Fernsehsendungen auch erwähnt, daß in Japan nur ein recht kleiner Bruchteil aller aufgeklärten Delikte überhaupt vor Gericht landet? Das gilt insbesondere für "minder schwere" Fälle, aber durchaus nicht nur. (Eine "Ich werde Sie verklagen"- oder "Wir sehen uns vor Gericht"-Mentalität ist dort nicht normal.) Sehr, sehr viel wird außergerichtlich - z. B. von den Präfekturpolizeibüros - geregelt, denn eine Verurteilung bringt in der Regel SO gravierende Probleme für den Betreffenden und sein Umfeld mit sich*, daß man normalerweise nur dann vor Gericht zieht, wenn sich das wirklich nicht vermeiden läßt... und das ist nunmal dann, wenn sehr sicher ist, daß er es wirklich war - folglich auch verurteilt wird - und sich die Sache außergerichtlich partout nicht beilegen läßt. Es gibt durchaus auch belegte Fälle, wo sogar Morde außergerichtlich "gelöst" wurden. Von Vergewaltigungen, die als Schande für Täter UND Opfer gesehen werden, ganz zu schweigen.

Natürlich gibt es Fehlurteile. Die gibt es immer. Allerdings sind die Entschädigungen, die man dafür vom japanischen Staat bekommt, auch Weltspitze. Nicht, daß das jetzt sooo ein großer Trost wäre, aber immerhin...

_____
*) Natürlich ist das überall so; wer will schon gern einen Nachbarn haben, von dem man weiß, daß er einmal ein Mörder oder Vergewaltiger war? Aber das Problem ist in Japan mit der dort herrschenden Bedeutung von sozialer Eingebettetheit noch wesentlich größer als bei uns. Das ganze geht soweit, daß in Japan der Staat nach der Entlassung von Schwerverbrechern aus den Gefängnissen oft enorme Anstrengungen unternimmt, um ihn / seine Familie wieder zu resozialisieren - in der Regel natürlich in einer Gegend, wo man ihn / seine Vergangenheit nicht kennt: man kümmert sich um eine Wohnung, einen Arbeitsplatz, eine Alibi-Geschichte für die Gefängniszeit etc. etc. -- Daß das meistens trotzdem nicht so recht klappt, steht auf einem anderen Blatt...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.07.04 14:58 von Botchan.)
04.07.04 09:18
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gokiburi


Beiträge: 1.415
Beitrag #55
RE: Todesstrafe in Japan
Sage mal, Botchan, was ist eigentlich dein Spezialgebiet innerhalb der Japanologie? Bin ja mittlerweile recht beeindruckt!

Und bei deinem Nickname drängt sich mir die Frage auf: warst du schon mal im Dôgo-onsen in Matsuyama? hoho

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04.07.04 11:03
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #56
RE: Todesstrafe in Japan
Hallo gokiburi:
rot rot Naja. Ich studiere halt so für mich hin rot , besuche so viele Seminare/Vorlesungen wie nur irgend möglich (z. B. zur Zeit auch ein Seminar, in dem es recht ausführlich um Polizei und Justiz in Japan ging) und lese mich durch unsere Institutsbibliothek. Da ich keine Nebenfächer mitbewirtschaften muß, kriege ich schon so einiges mit... Aber für SOOO einen Spezialisten halte ich mich nicht. Da gibt's hier doch ganz andere. Ich habe mir vor einiger Zeit vorgenommen, immer nur dann zu schreiben, wenn ich zu dem jeweiligen Thema schon was weiß. Wenn es um Sachen geht, von denen ich keine Ahnung habe, versuche ich mich zurückzuhalten.

Besonders interessierte ich mich für japanische Geschichte, aber seit Neuestem auch sehr für die Selbstwahrnehmung in Japan.

Und, nein... ich war noch nicht im Dôgo-onsen. Sôsekis "Botchan" war das erste japanische Buch, das ich gelesen habe (in Übersetzung natürlich) und ich finde es immer noch genial. Aber Matsuyama steht natürlich auf meiner Wunschliste hoho
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.07.04 14:54 von Botchan.)
04.07.04 11:10
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gokiburi


Beiträge: 1.415
Beitrag #57
RE: Todesstrafe in Japan
Hatte seinerzeit mal ein Seminar zu Menschenrechten in Japan besucht (bei Professor Steenstrup, ist vielleicht auch eine passende Lektüre-Empfehlung zu dem Thema!) kann aber meine Aufzeichnungen grad nicht finden... rot
Darum halt ich mich hier auch lieber zurück bisher.

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04.07.04 11:20
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #58
RE: Todesstrafe in Japan
Struppi! Mensch, ich könnt mir wirklich ins Bein beißen, daß ich erst so spät angefangen habe zu studieren. Der Mann muß ja echt ne Wucht gewesen sein. [Sorry, OT.]
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.07.04 11:30 von Botchan.)
04.07.04 11:26
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Koorineko


Beiträge: 913
Beitrag #59
RE: Todesstrafe in Japan
Zitat:*Klugscheißmodus an*
"Kapitalverbrechen" sind schwere Verbrechen. Das kommt von lat. "caput" (Kopf) und meinte ursprünglich die, auf die der Kopf (also die Todesstrafe) steht. Mit Kapital im Sinne von Vermögen hat das nix zu tun.
*Klugscheißmodus aus*

Also wenn *Klugscheissen* dann richtig:
Kapital kommt von "caput" das ist korrekt.
Aber Kapital = Vermögen kommt auch davon, denn es ist (im Unterschied zu den Zinsen) das "Hauptgeld", das angelegt oder investiert wird.

Übrigens kommt auch "kaputt" vom gleichen Wort ^^

Koorineko, die zwar in Latein eine Niete war, jedoch in VWL ein A(a)s. hoho
04.07.04 17:13
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Botchan


Beiträge: 642
Beitrag #60
RE: Todesstrafe in Japan
*OT-Modus an*

Willst Du mich ärgern? grr

Es ging um das Wort "Kapitalverbrechen". Dieses Wort bezeichnet Schwerverbrechen (ursprünglich nur die, auf die die Todesstrafe stand; lat.: res capitalis = Schwerverbrechen; lat.: poena capitis = Todesstrafe; Juristensprache war eben Latein).

Kapital im Sinne von Vermögen stammt vom italienischen 'capitale' (womit man die Kopfzahl des Viehbestandes meinte, zu dem dann die neu geborenen Tiere dazukamen; die alten Wirtschaftsbegriffe sind in der Regel italienischen Ursprungs). Das geht zwar in ganz letzter Instanz auch auf lat. 'caput' zurück (schließlich ist Italienisch eine "Tochter" des Lateinischen), aber im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen ist das völlig irrelevant.

Übrigens ist auch "kaputt" nicht direkt vom lateinischen caput, sondern aus dem Französischen übernommen worden, und zwar von "faire capot".

Wenn schon klugscheißen, dann richtig!

Botchan hat zwar von VWL keine Ahnung, kann aber prima Latein und ist im Besitz eines etymologischen Wörterbuchs der deutschen Sprache.

*OT-Modus aus*
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.07.04 18:18 von Botchan.)
04.07.04 17:55
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Todesstrafe in Japan
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