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PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
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Arufuredo


Beiträge: 77
Beitrag #61
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
@atomu

Ich muss Dir völlig recht geben. Das Einzige, was mit der Komprimierung der Schulzeit erreicht werden soll, ist, die Kinder noch früher "dem Markt" und damit der Wirtschaft als willige & billige Lohnsklaven, ähem, Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die bloß keinen Widerstand gegen die Zumutungen entwickeln sollen, die von Politik und Job kommen.

Bei diesem Menschenbild, das gewisse Herrschaften heutzutage in der Politik und Wirtschaft ganz offenkundig vertreten, kriege ich persönlich, Pardon, das Kotzen. Was sind Kinder und Menschen im Allgemeinen eigentlich für die? Scheinbar nur hoffentlich möglichst kaufkräftiges Konsumvieh, das sich auch noch seine von Big Brother Staat aufgedrückte Totalüberwachung gefälligst aus eigener Tasche bezahlen soll (siehe neueste Entscheidung des EU-Rats zur generellen Überwachung und Speicherung sämtlicher Kommunikationsdaten).

Für viele heute Berufstätige sieht es doch bereits so aus, dass ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen der fast einzige Quell ist, aus dem sie den Mut und Hoffnung schöpfen können, weiterzuleben und nicht einfach Schluss zu machen. Was soll dann erst mit den heute noch jungen Menschen passieren, wenn sie später in die Midlife-Crisis fallen (so mit 30) und die beste Erinnerung, die sie in ihrem Leben haben, darin besteht, einst ein gut gefülltes Bankkonto besessen zu haben?

Besonders trendige Marktforscher haben festgestellt, dass die Bezeichnung "Deutschland" als Marke nichts mehr hermacht. Der Vorschlag, es einfach als "Kingdom Hartz IV" eintragen zu lassen, scheiterte an Sony Entertainments Intervention. Die Japaner haben einfach keinen Humor.
21.12.05 15:57
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Emiko


Beiträge: 128
Beitrag #62
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Hallo AU,

ich moechte aber unbedingt daraufhin weisen, dass man bei Privatschulen sehr wohl zwischen der Art von Privatschule unterscheiden muss. Dass bei den beruehmten meist christlich oder buddhistischen Maedchen- oder Jungenschulen anders zugehen kann, ohne Diskussion. Aber besonders ausserhalb der Ballungszentren haben viele Privatschulen oft auch einen schweren Stand und muessen hart um jeden Schueler kaempfen, der an ihre Schule kommt. Ich habe an einer Privatschule ausserhalb der Ballungsgebiete mein Lehrerpraktikum gemacht, und es war teilweise erschreckend, mit was fuer Schuelern teilweise die Lehrer dort zu kaempfen hatten. Es gab selbst ne Handvoll Schueler meiner Klasse, die ich in den 14 Tagen nicht einmal zu Gesicht bekommen habe.

Was bei Privatschulen anders ist, die das nichtexistierende Verbot von irgendwelchen Glaubensbekenntnissen und -gegenstaenden innerhalb der Schule. Auf staatlichen Schulen waere ein Kreuz genau so verboten wie ein Buddha oder ein Kopftuch. Zumindest durch die Lehrer. Und anscheinend duerfen sich auch Privatschulen ueber die Hoechstanzahl von Schuelern hinwegsetzen, mir haben ATS auf Privatschulen erzaehlt, dass sie ueber 40 Leute waren. In staatlichen Schulen muesste dann eigentlich die Klasse aufgesplittet werden. Das Aufnahmeverfahren ist natuerlich auch nicht zentral gesteuert, das entscheidet alleine die Schule. Und da man bei Privatschulen auch das SAIYOU-SHIKEN, die zentrale Aufnahmepruefung nicht hat, sind die Schulen natuerlich auch bei Lehreranwaertern sehr beliebt. Und um nicht mit Bewerbern erschlagen zu werden, kommt man eigentlich nur mit Vitamin B an solche Stellen.

***
Was mich bei der ganzen PISA-Diskussion mal interessieren wuerde, waere, welche Schulen fuer die Teilnahme ausgesucht wurden und dann was fuer Schueler. Es ist naemlich schon ein kleiner Unterschied, ob von einer Klasse der Beste oder der Schlechteste dahin geht. Und dann auch, auf welche Art und Weise die Leute darauf vorbereitet wurden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schueler mit der gleichen Einstellung zu PISA geschickt wurden, wie das Shinja freundlicherweise erzaehlt hat. Das passt nicht zu Japan.

@Atomu
Ich muss zugeben, dass ich ein starker Verfechter von 12 Jahren-Abi bin. Das funktioniert in anderen Laendern ausserhalb von Japan auch, warum muss das westdeutsche System 13 Jahre haben? Ich fand nichts idiotischer als die Entscheidung der sachsen-anhaltinischen Regierung nach Einfuehrung des Gymnasiums ab Klasse 7, die bis zum Abi fehlenden 2 Wochenstunden zu einem halben Jahr nach der 12. Klasse zusammenzufassen. Nur um jetzt wieder zu dem zurueckzukehren, was man so wieso schon mal hatte.

Ich wuerde auch nicht alles schlecht machen, ich sehe auch die positiven Punkte im Schaffen eines Klassen- und Schulzusammengehoerigkeitsgefuehl. Es gab genau so Zeiten, wo mir dieses Ueberbetonen der Individualitaet auch auf Kosten von anderen im westdeutschen System auch sehr auf den Geist gegangen ist. Und ich denke, dass auch vieles davon abhaengt, welchen Druck die Eltern auf ihr Kind ausueben, in wie weit ein Kind die Auswuechse des japanischen Schulsystems erlebt. Das Kind zu stimulieren und ihm neue Impulse zu geben ist sicherlich nicht von vornherein eine schlechte Sache. (Persoenlich haette ich es schon interessant gefunden, wenn ich als Kind schneller haette Sprachen lernen koennen und - viel wichtiger - mit anderen haette kommunizieren koennen. Aber es war weder die Zeit dafuer noch das System.) Ich finde, dass bei allem die Balanz wichtig ist. Nur wie will man das mit einem Test ueberpruefen?

Und ich habe selbst Grundschueler als Schueler, wohne neben einer Grundschule und war auch selbst oft zu Verantstaltungen einer anderen, und habe auch so oft in der Bahn oder anderen Orten mit Mittelschuelern gesprochen, und ich habe noch nie sooo oft im Zusammenhang mit der Schule das Wort "tanoshii" oder "gakkou ga suki" gehoert. Wenn ich so das Verhaeltnis der meisten meiner Mitschueler zur Schule denke, die Schule zu moegen grenzte ja schon an ein Kapitalverbrechen. Solche Leute koennen ja nur spinnen. Woher kommt solche Einstellung in Deutschland? Da laeuft doch dann auch irgendwas nicht richtig.

Ich finde es positiv, dass der Test in Deutschland Ansaetze gebracht, doch mal darueber nachzudenken, ob der Status quo in den deutschen Schulsystemen wirklich das Beste ist. Aber ich waere auch vorsichtig, nur diesen einen Test als einzige Testbasis fuer die Guete eines Schulsystems zu nehmen. Und davon mal abgesehen, so glaube ich eher nicht, dass dieser Test in Japan sonderlich fuer wichtig genommen wird. Ich habe selbst im Lehrerkurs kaum je einen mal darueber sprechen hoeren, und innerhalb Japans sind die Eigenzweifel und Eigenkritik am japanischen System selbst viel zu stark, als das eine grosse Mehrheit stolz auf das Ergebnis waere.

Und irgendjemand hatte das auch mal erwaehnt, dass sicherlich auch die Anzahl von Zuwandern einen grossen Einfluss auf das Ergebnis hat. Laender ohne solche "Probleme" haben es sicher leichter. Aber das als Entschuldigung zu nehmen, darf man auch nicht. Zeigt es doch, dass solche Laender in der Integration von Nichtmuttersprachlern und/oder Kindern aus weniger beguenstigten Familien gescheitert sind bzw. dass das Problem noch nicht zufriedenstellend geloest wurde. Aber ich denke, dass frueher oder spaeter auch Japan staerker mit Mehrsprachigkeit konfrontiert wird. Jetzt soll schon eine von 10 Heiraten international sein, so dass z.B. auch Kinder, die nicht alle Jahre ihrer Schulausbildung in Japan verbracht haben, mehr werden. Und man kann nicht alle auf internationale Schulen schicken. Und es kommen auch so immer mehr Auslaender nach Japan, die in vielen Faellen auch Familie haben duerften. Und selbst wenn es nur fuer ein paar Jahre sein sollte, so muss das japanische System sich auch darin hin aendern/anpassen, dass diese Schueler ins bestehende System integriert werden koennen. Es bleibt spannend zu sehen, wie es in Japan weitergeht.

Viele Gruesse

Emiko
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.12.05 16:30 von Emiko.)
21.12.05 16:13
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Ex-Mitglied (AU)
Gast

 
Beitrag #63
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
@Emiko: Absolut d’accord! Was Du da so grösstenteils für das japanische Schulsystem und auch über die Privatschulen im Besonderen erzählst, hat -soweit ich das beurteilen kann- Hand und Fuss. Ich muss auch zugeben, dass ich mich immer ein wenig anstrengen muss, nicht das „grosse Ganze“ aus den Augen zu verlieren, da ich zwar schon einige Schulen in Japan besucht habe (nicht als Schüler ;-)), mein Schwerpunkt jedoch auf Japanischen Internationalen Schulen (Privatschulen) mit/ohne staatl. Förderung im Ausland (Schwerpunkt Deutschland) liegt. Und dort herrschen im Vergleich paradiesische Zustände.

Hochqualifizierte Lehrer en masse, überwiegend ein Top-Unterricht (das kann ich wirklich so sagen, denn ich habe das angemeldet und unangemeldet bereits mehrfach beobachten dürfen), gut praktiziertes Counselling (sprich: Counsellor und Lehrer/Eltern arbeiten grösstenteils Hand in Hand). Die Klassen sind etwas grösser in den unteren Jahrgängen (ca. 25-30 Schüler) aber gen 9. Klasse stetig dünner werdend. Da kann es durchaus passieren, dass nur 5 Schüler oder manchmal sogar nur einer (kein Witz) eine Klasse bildet. Die Kinder werden rundum gut betreut, Schwächen gefördert und die Meisten kommen definitiv gerne zur Schule.

Was mir besonders gut gefällt, ist der praktizierte „Schule als Lebensraum-Aspekt“. D. h. die Kinder können innerhalb der „regulären Öffnungszeiten“ auch in den Ferien in die Schule kommen, um dort zu Spielen, Hausarbeiten zu erledigen, sich auf Prüfungen vorzubereiten, oder einfach um die Schulcomputer zu benutzen. Auf Wunsch sind auch in den Ferien immer Lehrer verfügbar, die die Kinder in allen Belangen unterstützen und sei es nur, um mit ihnen im Rahmen eines Clubs Basketball zu spielen.

Was mich übrigens generell immer wieder fasziniert ist, dass die ganz Kleinen überwiegend ein sehr intensives Verhältnis zu ihren Lehrern haben. Ganz anders, als ich das je in einer dt. Schule beobachten konnte. Und ich gebe Dir völlig Recht, dass in unserem dt. System etwas nicht stimmen kann, wenn Kinder teils schon in jungen Jahren mit einer ablehnenden Haltung in die Schule gehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Schule in D-land für viele so etwas wie eine Art „Tor zur Hölle“ symbolisiert, das sich öffnet und schliesst, so wie es den Kultusministerien in den Kram passt. Und bei vielen (verbeamteten) Lehrern lässt ebenfalls (begründet oder unbegründet sei jetzt mal dahingestellt) die Motivation sehr zu wünschen übrig. Mit was für lächerlichen Belanglosigkeiten die sich teils „herumschlagen“, das darf ich immer mal wieder auf diversen Veranstaltungen erfahren. TOP 1 auf der Agenda ist da natürlich u. a. das neu eingeführte Beurteilungssystem für Lehrer …

Dennoch herrschen natürlich auch in jap. int. Schulen im Ausland in einem gewissen Rahmen die „japanischen Strengen Sitten“ (wobei es da eine ganze Reihe gibt, die ich im Vergleich definitiv Klasse finde, wie z. B. „keine Süssigkeiten“ ;-)), aber das ganze Kimochi ist bei Schülern wie bei Lehrern eben ein wenig anders. Ebenso wie die Probleme im Vergleich zu jap. Schulen in Japan. Vor allen Dingen die Integration gestaltet sich nach wie vor recht schwierig. Wenn Du Dich mal bemüht haben solltest, eine dt. und eine jap. Schulklasse einander zuzuführen wirst Du verstehen, was ich meine. Das ist leider alles nicht so einfach.

Das geht über Probleme wie z. B. jap. Kinder die sich vor lauter Scheu manchmal einfach aus Unsicherheit von dt. Schülern wegdrehen (Kommunikationsverweigerung in der fremden Sprache, obwohl alle Deutsch in der Schule lernen), oder dt. Kinder, die nicht bereit sind, weder ihren Schlitten noch sonst irgendetwas mit jap. Kindern zu teilen (ich kann mich da an einen krassen Fall erinnern, als ein dt. Junge in einem unbeobachteten Moment z. B. alle Süssigkeiten, die für die ganze Gruppe bestimmt waren, einfach aufgemampft hat … sicherlich ein Einzelfall, aber da würde man den Burschen doch mal ganz gerne über’s Knie legen ;-)). Jedoch anyway, Re-Integration in Japan ist vice versa natürlich genau so ein Thema.

Zum Angesprochenen Thema Mehrsprachigkeit (sehen wir mal vom Monkashou und den „älteren Herren“ ab ;-)): So wie ich das erlebe/erlebt habe, sind die Kinder schon sehr gefordert, erst einmal ihre eigenen Sprache zu lernen, was ich persönlich für gut und richtig halte. Drei Sprachen (z. B. jap./dt./engl.) nur ansatzweise nutzen zu können bringt gar nichts und da wird mir wohl auch jeder zustimmen. Und das der Anteil an Kokugo & Co. in einer jap. Schule wesentlich höher ist, als Deutsch in einer dt. Schule sollte man auch nicht vergessen. Das hat nicht allein etwas mit der unterschiedlichen Schwierigkeit der Sprache/Schrift zu tun, sondern auch mit den unterschiedlichen Strukturen des Lehrplans, dem Anspruch an nationalem Allgemeinwissen etc. etc. Da prallen im wahrsten Sinne des Wortes Kulturen und Historien der jeweiligen Länder aufeinander. Prinzipiell finde ich es schon gut und richtig, in jungen Jahren so viele Sprachen wie möglich zu lernen, aber man muss doch ein wenig Obacht geben, die Kinder nicht zu sehr zu überfordern. Eine Modifizierung des jap. Lehrplans gepaart mit verstärkter Einführung von Fremdsprachen wäre da wohl in der Tat eine gute Lösung und wie Emiko schon sagte, bleibt das mit Spannung abzuwarten.

Aber ich stoppe jetzt mal an dieser Stelle … denn es hat kaum noch mit dem Thema „PISA-Studie“ zu tun *schäm*.

Also munter weiter im Text zu PISA dt/jap. Bildungs- und Erziehungssystem, denn da sind wir uns wohl alle einig, dass das definitiv untrennbar zusammengehört.

Grüsse
AU
(die sich schon einmal im voraus dafür entschuldigt, falls sie hier konfuses Zeugs zusammengeschrieben hat ... mein Schädel ist leicht Grippe-geschädigt).

Zitat: Was mich bei der ganzen PISA-Diskussion mal interessieren wuerde, waere, welche Schulen fuer die Teilnahme ausgesucht wurden und dann was fuer Schueler. Es ist naemlich schon ein kleiner Unterschied, ob von einer Klasse der Beste oder der Schlechteste dahin geht.

Hierzu kann ich Dir sagen, dass ganze Schulen im Zufallsverfahren ausgewählt werden. Klassen werden da nicht gesplittet.

Zitat: Und davon mal abgesehen, so glaube ich eher nicht, dass dieser Test in Japan sonderlich fuer wichtig genommen wird.

Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Du Dich da gewaltig täuschst, aber ich habe schon des öfteren in einer Diskussion mit jap. Lehrern erlebt, dass diese das "dt. System" aufgrund von PISA abgelehnt haben. Weit mehr als einmal habe ich mir habe ich mir für Erläuterungen über das dt. Schulsystem Rechtfertigungen für unser PISA-Versagen zurechtlegen müssen ... zwinker
21.12.05 21:05
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Emiko


Beiträge: 128
Beitrag #64
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Hallo,

ich finde es sehr interessant, auch ueber andere Schulen zu hoeren. Solche Schulen gibt es hier im KEN nicht, die naechsten findet man vielleicht in Fukuoka oder Kitakyuushuu.

Der Grund, warum ich ueber die Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern nicht geschrieben habe, liegt darin, dass ich es auch meiner Kindheit auch nicht anders kenne. Um es mal ein bisschen salopp zu sagen, bevor der Pup verflogen war, wussten meine Eltern schon davon. Und wo Du davon sprichst, gerade am Sonntag wurde ein Projekt in einer Grundschule vorgestellt, wo nicht ueber Telefon wie traditionell gemacht, sondern ueber Email Eltern ueber alles Wichtige (PTA-Treffen, Anwesenheit der Kinder etc.) informiert werden. Und so auch auf Seiten der Eltern ein groesseres Sicherheitsgefuehl entsteht.

Ich kenne hier einige Schulen genauer, die auch eine hervorragende Zusammenarbeit mit den Eltern haben. Ich kenne aber auch Schulen in einer anderen Region hier in der Provinz, wo Eltern die groessten Feinde der Lehrer sind. Vielleicht hast Du ja mal das Wort BAKAOYA gehoert. Und diese Art von Eltern nimmt laut verschiedenen Professoren aus dem Kurs zu und wird zu einem immer groesserem Problem im japanischen Schulsystem. Noch ein paar Jahre, vielleicht hat man ja dann ja auch deutsche Verhaeltnisse.

Ich kann mich noch daran erinnern, wo wir in der 4. Klasse einen Minigarten angelegt hatten. Und irgendwann mussten wir uns unbedingt auch am Wochenende darum kuemmern und sind aufs Schulgelaende. Und das war das Verbrechen an sich, wir wurden gesehen und sollten mit irgendeiner Strafe rechnen. Wir hatten bloss Glueck, dass irgendein Feiertag vor der Tuer stand und die Strafe in Zaunsaubermachen und dort Unkraut jaeten umgewandelt wurde. Und so eine generelle Einstellung der Schule bewirkt nicht unbedingt, dass man laenger als noetig in der PENNE umhaengt. Vielleicht ist das ja auch einer der Gruende.

Das mit der Mehrsprachigkeit ist vielleicht falsch ruebergekommen. Ich meinte nun nicht, dass Japaner ab Klasse 2 fuenf Fremdsprachen lernen sollen oder aehnliches. Das was die "alten Maenner im Monkashou" so ankreiden, ist die Tatsache, dass heute kaum noch einer unter 40 in der Lage ist, z.B. KEIGO richtig zu benutzen und im Alltag "utsukushii nihongo" spricht. Das waere z.B. so, als wuerde man heute deutschen Kindern ankreiden, dass sie nicht die gleiche Wortwahl wie zu Bismarkszeiten haben. (Dabei haben selbst damals genuegend Leute nicht so gesprochen.) Sie gegen davon aus, dass das Lernen von Fremdsprachen Platz im Gehirn, der eigentlich Japanisch vorbehalten sein sollte, aufbrauchen und so einen schlechten Einfluss aufs Japanisch haben. Dabei ist im Alter von 10 Jahren die Muttersprache so gefestigt, dass man deshalb keine Sorge mehr haben muss. Und das gute Beherrschen einer Sprache bedeutet i.d.R. auch, dass andere Sprachen auch gut gelernt werden koennen. Bzw. wenn man eine Fremdsprache gut lernt, bekommt man auch fuer seine eigene Sprache ein besseres Gefuehl.

Wenn Du Daenisch oder Schwedisch koenntest, wuerde ich Dir eines meiner Lieblingsbuecher "Tal mange sprog" (Sprich viele Sprachen) von Gunilla Ladberg empfehlen, die sich mit dieser Problematik in Schweden auseinander gesetzt hatten. Schweden hatte auch bis Ende der 80er Jahre eine aehnliche Situation wie Japan, Schweden gingen z.B. auch davon aus, dass ihr Land einsprachig war, ist und immer sein wird.

Japan muss flexibler, was die Integration von Kindern betrifft, die nicht Japanisch als Muttersprache haben. Ich weiss nicht, ob Du mal von KIKOKU-SHIJO gehoert hast, Kindern, die eine Zeit im Ausland gelebt haben. Selbst deren Integration ist oft mit grossen Problemen verbunden, und wenn Kinder, besonders wenn sie nicht Feuer und Flamme ueber den Umzug sein, hat die Tatsache, dass sie ploetzlich ihre normalgewohnte Sprache nicht weitersprechen wollen, in vielen Faellen schwerwiegenden Einfluss auf die Psyche der Kinder. Schweden versucht, damit klarzukommen und bietet Muttersprachenunterricht fuer diese Kinder an, aber Japan hat solche Probleme noch nicht einmal als moegliche neue Problemstellung wahrgenommen.

Viele Gruesse

Emiko
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.12.05 05:29 von Emiko.)
22.12.05 05:27
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Shinja


Beiträge: 636
Beitrag #65
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Ich will hier nur kurz etwas zu der Einstellung hierzulande (und ich denke, da kann ich Luxemburg und Deutschland in einen Topf werfen) der Schule gegenüber beitragen:

Beinahe jeder Schüler behauptet, oft sogar mehrmals täglich, wie sehr ihm die Schule doch auf die Nerven geht, wie schlecht dieser und jener Lehrer ist, wie nutzlos manches Gelernte doch ist (und da bin ich keineswegs eine Ausnahme).

Aber wenn man nun einen Schüler fragen würde, ob er wirklich lieber hätte, es gäbe keine Schule resp. er müsse nicht hingehen antworten, meiner subjektiven Meinung nach, sicher über 80% der Schüler mit "nein". Sogut wie alle sehen den Sinn der Schule ein und zumindest meine Wenigkeit ist auch erfreut über die Schulpflicht, da sie einem die Last der Selbstmotivierung nimmt. Und auch wenn ich zum Beispiel Kunstgeschichte als lästig bis unnütz verschrien haben, wie die meisten meiner Mitschüler auch, so ist mir, und auch einigen anderen schlussendlich doch aufgefallen, dass dieser Kursus schon allein wegen der Allgemeinbildung nicht halb so sinnlos ist wie man annehmen möchte und es auch leute gibt, die das so interessant finden wie ich Physik und Mathematik. Andere wiederum, die in Mathe keinen Sinn sehen, bekommen dann immer wieder vor Augen geführt, dass ohne eben diese Mathe vieles, was wir als altäglich und normal einstufen würden, nicht möglich wäre.

Was ich damit sagen will: alle meckern über die Schule, keiner will offiziell hin... aber insgeheim sind doch fast (Betonung auf fast, einige wollen einfach nicht) alle der Meinung, dass die Schule nützlich und nicht halb so langweilig, die Fächer nicht halb so sinnlos sind wie wir immer so gerne behaupten. Soweit gehen jedenfalls meine Erfahrungen.

"Knowing is not enough we must apply. Willing is not enough we must do" (Bruce Lee)
Ob du glaubst etwas erreichen zu können oder ob du nicht glaubst etwas erreichen zu können du hast immer recht.
"The world has enough for everybody's need, but not for everybody's greed" (Mahatma Ghandi)
From the moment you wake you shall seek the perfection of whatever you pursue.
22.12.05 13:42
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Hanka


Beiträge: 82
Beitrag #66
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Ich habe meine Freundin in Japan mal zu Pisa befragt, aber sie konnte mit dem Wort nichts anfangen. Wie wird Pisa-Studie in Japanisch ausgedrueckt?

Wie sieht es eigentlich mit 'Nationalstolz' in Japan aus? In Deutschland merke ich davon nicht viel, in Amerika ist es das genaue Gegenteil.
10.01.06 05:45
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yuxel


Beiträge: 299
Beitrag #67
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
学習到達度調査 (がくしゅうとうたつどちょうさ, gakujuutoutatsudochousa) Die Bezeichnung "PISA" wird auch verwendet. Die Studie dürfte aber nur den wenigsten geläufig sein.

Kurze Präsentation der Ergebnisse auf der Homepage der Erziehungsministeriums:
http://www.mext.go.jp/b_menu/toukei/001/04120101.htm
10.01.06 06:13
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Hanka


Beiträge: 82
Beitrag #68
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Eine Lehrerin von einer Mittelschule hat erzaehlt, dass die Einstellung vieler Schueler wirklich beaengstigend ist. Auf die Frage nach dem Berufswunsch antworten viele "Arbeitslos. Da gibts gute Kohle fuers Nichtsmachen." - Kann sich das einer vorstellen? Ich war darueber schon sehr geschockt. Wie sieht es dahingehend eigentlich in Japan aus? In wie weit unterstuetzt der Staat Arbeitslose?
16.01.06 01:04
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Dogen


Beiträge: 20
Beitrag #69
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Gerhard Bosch schreibt in seinem Aufsatz 'Erwachsenenbildung in Süd-Korea' (erschienen in: Asien, Heft 98, S. 45-65):

Zitat: Die guten Ergebnisse Koreas in der Pisa-Studie sind vor allem auf diese zusätzlichen privaten Investitionen und weniger auf die Qualität des öffentlichen Schulsystems zurückzuführen.

Mit privaten Investitionen sind u.a. die bekannten Pauk-Schulen gemeint. Ich denke, obiges Zitat über die Situation in Korea läßt sich auch zu einem guten Teil auf Japan übertragen.
25.01.06 00:07
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atomu


Beiträge: 2.677
Beitrag #70
RE: PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
Ganz sicher. Ohne die 塾 (Juku) kommt heutzutage kein japanisches Kind mehr durchs Leben. Und die Eltern zahlen sich dusselig dran. Es gibt da dieses schöne Wort 塾戦争 (Juku-Sensou)...

正義の味方
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 25.01.06 08:37 von atomu.)
25.01.06 08:27
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PISA: Warum schneiden Japaner so gut und Deutsche so schlecht ab?
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